Die Regierungen sind sich einig, dass die Erderwärmung heute die größte Bedrohung für das Leben auf der Erde darstellt. Nicht einig sind sie sich darüber, was man dagegen tun soll. Die Debatte über erneuerbare Energien und fossile Brennstoffe nimmt kein Ende. INEOS als einer der größten Energieverbraucher der Welt meint, dass erneuerbare Energien noch nicht so weit sind. Aber sind andere auch dieser Meinung?
DIE britische Energie strategie verfolgt drei große Ziele: Die Versorgung aufrecht und die Rechnungen niedrig zu halten sowie den Übergang zu einer sauberen Energiezukunft zu schaffen. Wir müssen den Energiebedarf Großbritanniens mit sauberer und umweltfreundlicher Energie decken, wenn wir weiterhin gegen den Klimawandel angehen wollen und die Wirtschaft wachsen soll. Aber das wird nicht einfach über Nacht passieren. Die Umstellung auf mehr erneuerbare und umweltfreundliche Energie braucht Zeit. Der Umstieg von Kohle auf Gas wäre ein gewaltiger Beitrag zur Reduktion unseres Kohlenstoffausstoßes und eine „Überbrückung” für viele Jahre. Die Anti-Fracking-Lobby scheint zu denken, dass unendlich viel Geld von den Steuerahlern zur Finanzierung von erneuerbaren Energien vorhanden ist. Dem ist nicht so, aber auch wenn es so wäre, würden wir Gas brauchen – als verlässliche Energiequelle, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind geht.
Andrea Leadsom, britische Ministerin für Energie und Klimawandel
DIE Suche nach Schiefergas ist vergebliche Liebesmüh‘, wenn erneuerbare Energien liefern können, was für eine Energierevolution notwendig ist. Das gilt besonders für jene 1,3 Milliarden weltweit, die keinen Zugang zu Elektrizität haben, und für jene, die abseits des Stromnetzes leben und geeignete dezentralisierte Technologien benötigen, aber es gilt auch für Energiesysteme auf der Nordhalbkugel. Wie neue Kohle- und neue Kernkraft sind Investitionen in unkonventionelles Gas eine ernsthafte Ablenkung von dringend benötigten Investitionen in erneuerbare Energien. Es gab einige Untersuchungen in den USA, aus denen hervorgeht, dass die Förderung von Schiefergas mittels Fracking insgesamt mehr Treibhausgase produzieren könnte als Kohle. Abgesehen von der Auswirkung auf das Klima ist die Gasextraktion Anlass für schwere ökologische und soziale Konflikte auf der ganzen Welt. Der Bau von Gas-Pipelines und Infrastruktur fördert Landnahme und gefährdet unserer Meinung nach Wasserressourcen und biologische Vielfalt an vielen Orten. Außerdem glauben wir, dass Fracking ein wesentliches Risiko für Wasser- und Luftverschmutzung in sich birgt.
Friends of the Earth International
ES ist unbestreitbar, dass wir auf lange Sicht zu möglichst kohlenstoffarmen Technologien übergehen müssen, aber die Werkzeuge dafür (CO2-Abscheidung und -Speicherung sowie Technologien für erneuerbare Energien) sind noch nicht so weit. Sie können den globalen Energiebedarf und die Bedürfnisse der Armutsbekämpfung nicht decken; manche von ihnen werden möglicherweise nie wirtschaftlich oder umsetzbar sein. Schiefergas hat, wenn es sorgfältig und wirksam verwaltet und reguliert wird, das Potenzial, einen Teil der notwendigen CO2-Reduktion zu bewirken, während es eine schnell wachsende, aber kohlenstofflimitierte Welt mit Energie versorgt.
Professor Peter Styles, britischer Geologe und Professor für angewandte und Umwelt-Geophysik an der Keele University
ALTERNATIVE Energiequellen können ein zufriedenstellender Ersatz für fossile Brennstoffe werden, wenn wir so viel Mühe und Talent in ihre Entwicklung investieren wie in die Herstellung der ersten Atombombe. Die befriedigendste Einzellösung wäre die Kernfusion, aber dieses Quasi-Wunder dürfte jenseits der Machbarkeit liegen. Wir werden vielleicht feststellen, dass Wind, Sonne, Biomasse etc. als bunter Mix ausreichen müssen, aber der Erfolg könnte eventuell einen Aufwand erfordern, der bereits vor einer Generation begonnen hat. Wesentlich für jeglichen Erfolg ist unsere Einsicht, dass alles möglich sein dürfte, auch ein Fehlschlag.
Alfred W. Crosby, emeritierter Professor für Geschichte, Geographie und Amerikanistik an der Universität von Texas
IN den letzten vier Monaten leistete Erdgas, das sauberer ist als Kohle, den größten Beitrag zu Amerikas Stromerzeugung. Aber einige, die US Environmental Protection Agency eingeschlossen, meinen, es sei bereits an der Zeit, Erdgas durch Wind- und Solarenergie zu ersetzen. Diese erneuerbaren Energien nehmen zu, aber von einer sehr niedrigen Ausgangsbasis aus und nur mithilfe von Milliarden an Dollar Steuergeld. Wind und Sonne sind mit weiteren Problemen verbunden: Weder Wind noch Sonnenschein sind immer verfügbar. Die Erneuerbaren brauchen also Ausgleichsenergie, in erster Linie aus Erdgas. Anstatt auf Regierungsinitiativen für die Umwandlung unseres Energiesektors zu setzen, könnten wir auch den Markt arbeiten lassen. Amerikas kostengünstige Versorgung mit Erdgas ist das Ergebnis von Innovation und Unternehmertum. Diese amerikanische Form der Problemlösung hat eine wettbewerbsfähige Lösung hervorgebracht, die uns hilft, mit Energiekosten und Emissionen fertig zu werden, die nunmehr auf dem niedrigsten Stand seit 27 Jahren sind. Kein anderes Land konnte diese amerikanische Erfolgsstory wiederholen. Natürlich möchten viele Verfechter erneuerbarer Energien die Marktprinzipien ganz über Bord werfen. Aber damit würden wir nicht nur die Energiepreise hochtreiben, sondern auch Innovationen verzögern.
Dr. J. Winston Porter, ehemaliger Assistant Administrator der EPA in Washington DC. Er ist nun Energie- und Umweltberater in Savannah, Georgia, USA
MEHR als ein Jahr lang untersuchte die Taskforce Schiefergas die möglichen Auswirkungen, positive wie negative, einer Schiefergasindustrie im Vereinigten Königreich. Im Dezember veröffentlichten wir unsere abschließenden Empfehlungen. Wir sind überzeugt, dass Gas kurz- und mittelfristig ein Teil des Energiemixes im Vereinigten Königreich sein muss. Es ist einfach nicht möglich, kurzfristig unseren gesamten Energiebedarf über erneuerbare Energien zu decken. Gas stellt eine ökologisch verträglichere Alternative zu Kohle dar. Die negative Klimaauswirkung von Schiefergas ist dem konventionellen Gas vergleichbar und geringer als bei verflüssigtem Erdgas. Unser Fazit aus allen Erkenntnissen, die wir im vergangenen Jahr zusammengetragen haben, ist klar: Schiefergas stellt für die lokale Umwelt oder für die öffentliche Gesundheit kein größeres Risiko dar als vergleichbare Industrien; vorausgesetzt, die Betreiber folgen, wie bei allen Industriewerken, der Best Practice.
Lord Chris Smith, Vorsitzender der Taskforce Schiefergas der Regierung des Vereinigten Königreichs
DIE Internationale Energieagentur sieht, dass erneuerbare Energien einen immer größeren Anteil zur globalen Energieversorgung leisten, aber fossile Brennstoffe werden nicht so bald verschwinden. Im zentralen Szenario unseres maßgeblichen World Energy Outlook steigt der globale Energiebedarf bis 2040 etwa um ein Drittel an. Erneuerbare Energien werden dazu sicher ihren Beitrag leisten, aber auch Erdgas: in allen WEO-Szenarien kommt dem Gas zumindest ein Viertel der globalen Energie 2040 zu. Schiefergas hat den Schwerpunkt in der Energieerzeugung zum Teil von der Kohle weg verlagert; die weitere Förderung von Erdgas ist, neben den Erneuerbaren, entscheidend für eine vielfältige, sichere und nachhaltige Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten.
Laszlo Varro, Chefökonom der Internationalen Energieagentur
DAS US-Experiment mit Schiefergas hat gezeigt, dass bei entsprechenden Ressourcen und massivem Bohreinsatz signifikante Mengen Gas gefördert werden können. Aber es zeigte sich auch, dass die Förderung eher kurzfristig erfolgt (Bohrlöcher sind rasch erschöpft), dass die Ressourcen von sehr unterschiedlicher Qualität sind (nur die „Sweet Spots” sind profitabel), dass die Bohrungen zu Wasser- und Luftverschmutzung führen können und dass ein Methanaustritt den Klimavorteil von Schiefergas gegenüber Kohle zunichte machen kann. Im Gegensatz dazu stellen erneuerbare Energieträger die Zukunft der Energie dar – sinkende Kosten und weit weniger Umweltauswirkungen.
Richard Heinberg, Senior Fellow, Post Carbon Institute
WIR wollen es hier klar sagen: Solarzellen, Windräder und Biomasse-Anlagen können niemals auch nur einen kleinen Teil der höchst zuverlässigen, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr arbeitenden fossilen Atom- und Wasserkraftwerke ersetzen. Andere Behauptungen werden gerne gehört, sind aber unverantwortlich. Wir leben in einer kohlenwasserstofflimitierten Welt, produzieren zu viel CO2 und die großen Möglichkeiten der Wasserkraft sind weltweit ziemlich ausgereizt.
Tad W. Patzek, Vorstand des Petroleum and Geosystems Engineering Department an der Universität Texas in Austin
PRÄSIDENT Barack Obamas Clean Power Plan ist eine Verordnung, die von der Environmental Protection Agency entworfen wurde, um die CO2-Emissionen des US-Energiesektors um 32 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Weil jeder Bundesstaat einen einzigartigen Energiemix hat, setzt der Clean Power Plan einzelstaatliche Reduktionsziele und erlaubt deren Erreichung durch individuelle Compliance-Pläne. Egal, wie die Staaten den Plan umsetzen, man weiß, dass Erdgas der kostengünstigste Weg ist, die Ziele des Clean Energy Plan voranzutreiben und gleichzeitig für kontinuierliches Wirtschaftswachstum zu sorgen. Daher wird Erdgas noch auf Jahre hinaus ein wesentlicher Bestandteil der amerikanischen Energieerzeugung sein. Die Energy Information Administration berichtet sogar, dass im April die Kohlenstoffemissionen des Energiesektors das niedrigste Niveau seit 1988 erreicht haben. Das ist kein Zufall, denn im April überholte erstmals in der Geschichte Erdgas die Kohle als wichtigsten Energieträger in der Stromerzeugung.
America’s National Gas Alliance