Sprechen Unternehmen über Sicherheit, verzetteln sie sich gern in Statistiken und Verfahren. Aber das ist das letzte, was INEOS will, erklärt Simon Laker
THOMAS Edison sagte einst den berühmten Satz: Verdammt, es gibt hier keine Regeln, wir versuchen, etwas zu erreichen.
Als Unternehmen kann INEOS dieser Einstellung etwas abgewinnen, bemüht sich darum, anders zu sein und begrüßt es, wenn die Beschäftigten kalkulierte Risiken eingehen.
Doch ist die Sicherheit betroffen, kann gegen Regeln absolut nicht verstoßen werden. Sie dienen dem Schutz von Menschen – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens – und sollen vor Schaden bewahren.
„Niemand sollte jemals von INEOS mit einer Verletzung nach Haus gehen, schon gar nicht mit einer Verletzung, die das Leben verändert, oder – schlimmer noch – niemand sollte gar nicht mehr nach Haus gehen können“, sagte Simon Laker, INEOS Group Operations Director, der in Lyndhurst im Vereinigten Königreich arbeitet.
Es gibt Regeln zur Sicherheit nicht nur, damit alle sie verstehen, sondern damit alle dafür auch leben.
„Man kann manchmal leicht die Geisteshaltung aus den Augen verlieren, die hinter allem steht, was wir tun wollen“, erklärte Simon. „Wir sind keine Maschinen. Entscheidungen werden von Menschen getroffen, und wenn wir bei diesen Entscheidungen jeden Tag alles richtig machen, verhindern wir Verletzungen und große Zwischenfälle.“
Obwohl jeder einzelne INEOS-Geschäftsbereich für die eigenen Sicherheitsprogramme verantwortlich ist, hat INEOS ein konzernweites Verfahren für Sicherheit, da an allen Standorten ähnliche Vorfälle passieren können und der Austausch und die Weitergabe vorbildlicher Verfahren entscheidend ist.
„Wir verlassen uns nicht darauf, Glück zu haben“, sagte Simon. „Sicherheit ist bewusstes Risikomanagement. Die Sicherheit, dass Menschen nicht verletzt werden, basiert auf der Bewertung, die wir für Risiken vornehmen, und auf den Entscheidungen, die wir zur Beseitigung oder Einschränkung dieser Risiken fällen. Wenn wir Fehler machen, wird jemand verletzt.“
Die häufigsten und schwersten Zwischenfälle bei INEOS haben überall im Konzern, der mehr als 17.000 Beschäftigte an 65 Standorten in 16 Ländern hat, zu einer Reihe von Sicherheitsinitiativen geführt.
2012 führte INEOS die 20 SHE-Prinzipien ein, nachdem neben wichtigen Ereignissen außerhalb des Unternehmens Vorfälle bei INEOS aus acht Jahren analysiert worden waren, einschließlich der Explosion im Erdöldepot in Buncefield im Vereinigten Königreich im Dezember 2005, bei der 43 Beschäftigte verletzt wurden, als Tausende Liter Öl aus einem Lagertank ausflossen und in Brand gerieten.
INEOS‘ Ursachenanalysen – und Lösungen –, um sicherzustellen, dass ein Vorfall nicht erneut auftritt, sind in diesen 20 SHE-Prinzipien enthalten. Alle drei Jahre werden alle Standorte geprüft, um sicherzustellen, dass alles Nötige dafür getan wird.
„Seit die 20 SHE-Prinzipien eingeführt wurden, haben wir alle schweren Zwischenfälle überprüft und haben festgestellt, dass die Zwischenfälle passiert sind, weil einer oder mehrere Grundsätze nicht beachtet wurden“, sagte Simon. „Wir sind davon überzeugt, alle Zwischenfälle mit Beschäftigten und Prozessen bei INEOS eliminieren zu können, wenn alle die 20 SHE-Prinzipien umsetzen und sich daran halten.“
„Beste Praktiken“ werden in den INEOS Group Guidance Notes geteilt. Zurzeit erstellt der Konzern 16 Kapitel, die vom Umgang mit Korrosion bis zur Benennung sicherheitskritischer Alarmhinweise alles beinhalten, und derzeit werden drei weitere erstellt.
„Alle drei waren durch wiederholte Vorfälle getriggert, die diese kritischen Aktivitäten betrafen“, erläuterte Simon.
Die Guidance Notes und die SHE-Prinzipien sind kraftvolle Werkzeuge, damit die Beschäftigten fokussiert bleiben auf das, was getan werden muss, damit alle vor Schaden bewahrt werden. Es handelt sich um einen fortwährenden Prozess von Schulung, Feedback und Prüfung.
Doch es ereignen sich immer noch Unfälle.
„Wir sind noch nicht perfekt“, sagte Simon. „Aber wir müssen danach streben.“
Spezielle Lücken – also Bereiche, für die INEOS immer noch auftretende Unfälle feststellte– wurden nunmehr mit den 7 Leben rettenden Regeln geschlossen. Sie wurden aufgrund des Potenzials für gravierende Verletzungen in diesen Bereichen eingeführt.
Alle, die eine dieser Regeln – von Höhenarbeiten bis zum Alkoholkonsum bei der Arbeit – wissentlich missachten, werden mit unverzüglicher Entlassung konfrontiert.
In den vergangenen sechs Jahren verbesserte sich die Sicherheitsbilanz von INEOS um das Dreifache. Doch trotz einer Reduzierung der OSHA-Häufigkeitsrate der Arbeitsunfälle von 1,13 auf 0,40 ist Simon der Ansicht, dass man immer noch Erkenntnisse dazugewinnen kann.
SHE-Alerts – das sind simple DIN A4-Seiten mit Informationen zu einzelnen Unfällen und den ergriffenen Maßnahmen, um ein erneutes Auftreten zu verhindern – werden im Konzern verteilt.
Dies gilt auch für HIPOs (High Potential Incident Alerts, Unfälle mit hohem Gefährdungspotenzial), bei denen etwas hätte passieren können, aber nicht passiert ist. Sie sind ebenso wichtig und werden im Konzern geteilt.
Aufgrund ihrer Beschaffenheit wird die chemische Industrie immer ein potenziell gefährlicher Arbeitsplatz sein, doch können Unfälle und Vorfälle vermieden werden, wenn die Regeln befolgt werden.
Simon ist optimistisch, was die Zukunft betrifft.
Kann INEOS also alle Verletzungen verhindern?
„Auf alle Fälle“, sagt er. „Werden die Risiken einer Arbeitsaufgabe von sachkundigen Beschäftigten umfassend bewertet, werden die Risiken eingedämmt. Und wird eine bewusste Entscheidung gefällt, ein Restrisiko als unbedenklich zu akzeptieren, dann sollte niemals etwas schief gehen.“
Er sagte, leider hätten die Beschäftigten keinen unbegrenzten Zeitraum für die Bewertung von Risiken zur Verfügung, weshalb eine bewusste Entscheidung getroffen werden müsse, wenn ein akzeptables Gefährdungsniveau erreicht wäre.
„Ist dies keine bewusste Entscheidung, verlässt man sich auf das Glück, ob ein Risiko weiterhin besteht oder nicht“, sagte er, „Ist uns etwas entgangen, können wir uns auf ein solides Meldesystem für Beinahe-Unfälle stützen, um das Problem zu ermitteln, bevor es zu einem Unfall führt. Daher ist die Meldung von Beinahe-Unfällen so wichtig, damit die Sicherheit der Beschäftigten weiterhin gewährleistet ist. Wir verlassen uns nicht auf Glück.“
Kann INEOS alle Prozesszwischenfälle verhindern?
„Unbedingt“, sagt Simon, „wenn wir gut ausgebildete Beschäftigte haben, die ordnungsgemäß konzipierte, geprüfte und instand gehaltene Anlagen in bekannten Betriebsbereichen betreiben. Ist einer dieser Faktoren nicht gegeben, entweder aufgrund mangelnden Wissens oder einer falschen Entscheidung, dann wird es an einem bestimmten Punkt zu einem Zwischenfall kommen, normalerweise eine Freisetzung. Dann hängt es nur noch vom Glück ab, wie schlimm dies sein wird. Sollten wir also feststellen, dass eine Situation unser Wissen überschreitet, dann müssen wir unsere Arbeit stoppen, die Situation sichern und Menschen hinzuziehen, die über die entsprechenden Kenntnisse verfügen. Wir verlassen uns nicht auf Glück.“