Nachdem bereits bahnbrechende Verträge mit 15 Jahren Laufzeit mit Amerika über preisgünstiges, durch Schiefergas abgebautes Ethan vereinbart worden sind, beschloss INEOS, dass es an der Zeit sei sich anzusehen, wie man in den USA damit Erfolg hatte und was Europa daraus lernen kann.
Schiffe, wie sie die Welt noch nie erlebt hat, laufen nächstes Jahr zum ersten Mal aus amerikanischen Häfen aus.
Jedes dieser Schiffe wird Tausende von Tonnen verflüssigtes Ethan für die INEOS-Gaskracker in
Europa mit sich führen, um diese mit Rohstoffen zu versorgen, welche in der Nordsee zur Neige gehen, und um die Betriebskosten der Gaskracker zu senken.
Jeden Tag werden 40.000 Barrel Schiefergasethan, das auf eine Temperatur von minus 95,55 Grad Celsius abgekühlt wurde, aus Marcus Hook, Philadelphia, in Richtung Norwegen und Schottland, Großbritannien, auslaufen.
„Niemand hat jemals Ethan in diesen Mengen um die Welt transportiert“, so INEOS Vorstandsvorsitzender Jim Ratcliffe. „Diese Schiffe wurden noch niemals vorher konstruiert und haben noch nie den Nordatlantik überquert. Dies ist eine echte Premiere.“
INEOS braucht Ethan, um hochwertige Petrochemikalien herzustellen, doch wenn unsere Standorte in Europa wettbewerbsstark bleiben wollen, müssen wir Lieferungen aus Amerika beziehen, wo es ausreichend große Mengen zu günstigen Preisen gibt.
„Wir transportieren tatsächlich USamerikanische Wirtschaftsverhältnisse nach Europa“, so Jim weiter.
Diese in China gebauten, hochmodernen Schiffe sind äußerst effi zient und werden Doppelschiffsmotoren haben, damit sie auch unter schwersten Bedingungen in Betrieb sein können. In der Zwischenzeit werden von INEOS neue Exporteinrichtungen in den USA und Speichertanks in Rafnes und Grangemouth gebaut.
Die Reise über den Atlantik beginnt in Marcus Hook, früher Standort einer Rohölraffi nierie, die mehr als ein Jahrhundert lang Benzin, Diesel und Kerosin produziert hat. Etwa 500 Beschäftigte wurden entlassen, als die Verluste schreibende Anlage schließlich 2011 aufgrund schwieriger Marktbedingungen geschlossen werden musste. Heute wird sie zu einem wichtigen Zentrum für die Verarbeitung und den Transport von verfl üssigtem Erdgas aufgrund ihrer Verbindungen mit Pennsylvanias Marcellus-Schiefergasbranche umgebaut.
„Es war ein stark benachteiligtes Gebiet“, sagte Tom Crotty, Corporate Affairs Director von INEOS. „Ein Großteil der Stadt wurde um die Industrie wie die Raffi nerie gebaut. Arbeitsplätze waren davon abhängig. Doch plötzlich wurde diese Gemeinde wieder zum Leben erweckt, nachdem sie vorher wie gelähmt am Boden gelegen hatte – durch Schiefergas.“
Marcus Hook war die erste Station der jüngsten Erkundungstour in den USA durch Jim und ein INEOSTeam. INEOS, wo man in ein eigenes Expertenteam investiert hatte, um die Vor- und Nachteile der Schiefergaserkundung in Großbritannien abzuwägen und um zu sehen – und zu verstehen – wie dies in Europa funktionieren könnte.
Die Gruppe verbrachte einen Tag in Marcus Hook, bevor man dem Barnett-Schiefergasfeld in Texas ein Besuch abstattete, wo sich der allererste gebohrte horizontale Schacht befi ndet.
Die Funktion wurde von Nick Steinsberger erläutert, der nach Toms Aussagen der beste Onshore- Erdölingenieur der Welt ist.
„Viele andere haben sich daran versucht und aufgegeben, aber Nick hat herausgefunden, wie man das Gestein aufbrechen kann“, sagt Tom. „Er war der erste, der das Slick-Water genannte hydraulische Fracking einsetzte, um das Barnett-Schiefergasfeld in Texas aufzubrechen. Dadurch ermöglichte er die weltweite Förderung und erzielte damit den Durchbruch.“
Nick war zuvor für Mitchell Energy & Development tätig, damals noch mit dem Unternehmensgründer George Mitchell. Das Unternehmen wurde 2002 für 3,5 Milliarden USD verkauft. Heute führt Nick sein eigenes Unternehmen.
Später eskortierte Nick die INEOS-Delegation ins südwestliche Pennsylvania zum Marcellus- Schiefergasfeld, einem der weltweit größten Erdgasvorkommen.
„Er wollte, dass wir es sehen, da es dort so ähnlich wie in Europa mit grüner, hügeliger Landschaft aussieht,“ so Tom. „Jetzt gelten dort ebenso strenge Vorschriften.“
Für Tom war dies ein Aha-Erlebnis.
„Zu den größten Bedenken der Öffentlichkeit gehören die Auswirkungen auf das Landschaftsbild“, so Tom. „Ich dachte mir, es würde aussehen wie in Texas mit diesen nickenden Stahleseln überall, doch dem größten Schiefergasgebiet Amerikas sieht man rein gar nichts davon an. Man sieht und hört dort nichts. Es zischt einfach nur vor sich hin wie aus einer Flasche Sekt. Es ist so, dass die Bohrung drei Wochen und das Fracking eine Woche dauert, da ist am Standort viel los, aber danach liefert dir die Bohrung 20 bis 50 Jahre Erdgas.“
Großbritannien ist derzeit das einzige Land in der EU, das Fracking ernsthaft in Erwägung zieht.
Gary Haywood, der das INEOS-Schiefergasprojekt- Team leitet, meinte dazu, dass die britische Regierung erkannt hätte, dass Schiefergas das Potenzial besitze, Großbritannien zu mehr Energieversorgungssicherheit, Wachstum und Arbeitsplätzen zu verhelfen.
„Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine erschwingliche und zuverlässige Energieversorgung“, meinte Gary. „Etwa 85 Prozent der britischen Haushalte heizen oder kochen mit Erdgas. Unsere heimischen britischen Vorkommen sind auf weniger als 50 Prozent der Nachfrage geschwunden. Wir haben eine saubere Energieressource aus britischem Schiefergestein, die erschlossen werden kann. Dies kann für das Land eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich bringen. INEOS will unbedingt Teil dieser Erschließung sein. Wir werden nach vernünftigen Möglichkeiten suchen, um Schiefergas für das Unternehmen und das Land zu fördern.“
Im Moment gibt es mehr als 176 Erdölerschließungsentwicklungslizenzen (PEDL) für die Onshore-Erdöl- und Erdgasförderung in Großbritannien. Dieses Jahr wurden weitere Lizenzen vergeben.
Gemeinden und Grundbesitzenden bietet man Anreize, damit Unternehmen bohren können, doch INEOS zufolge geht man damit nicht weit genug.
„Wir meinen, dass Gemeinden davon profitieren sollen, wenn auf ihrem Grund Erdgas gefördert wird“, so Tom. „Das Angebot von 100.000 GBP reicht nicht aus, damit die Leute meinen, das sei eine gute Idee. Daher haben wir Pläne angekündigt, 6 Prozent unserer Schiefergaseinnahmen an Haus-, Grundbesitzer/innen und Gemeinden in der Nähe unserer Bohrungen zu geben. Wir gehen davon aus, mehr als 2,5 Milliarden GBP aus unserem Schiefergasgeschäft auszubezahlen.“
Der Widerstand gegen Fracking in Großbritannien hat sich seit den Protesten in Balcombe in der Grafschaft West Sussex im vergangenen Jahr verstärkt.
„Das Bohren in Balcombe hat einige emotionale Reaktionen provoziert“, so Tom. „Doch das Problem ist, dass die Bürgerinnen und Bürger über Schiefergasförderung im Allgemeinen nicht gut informiert sind. Die Anti-Lobby hat irrationale Ängste vor dieser Technik geschürt, vor allem über irreführende Propaganda.“
Tom und sein Team wollen das unbedingt ändern.
„Wir haben einen kurzen Film gedreht, der den Bürgerinnen und Bürgern die echten Fakten zur Schiefergasproduktion zeigt. Wir wollen, dass die Öffentlichkeit die wahre Geschichte hört“, meinte er.
Tom sagte, dass der Film einige der Mythen entlarvt, was die Auswirkungen der Schiefergasproduktion betrifft und stellt deshalb die wichtigen Vorteile dar, welche dieser Wirtschaftszweig Großbritannien bieten kann.
„Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger alle Tatsachen kennen und so eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage treffen können“, so Tom weiter. „Die Branche kann viele bitter notwendige Arbeitsplätze schaffen. Die Energieversorgungssicherheit kann für die britischen Bürgerinnen und Bürger garantiert werden, indem ein sauberer Brennstoff gefördert wird, der im Vergleich zur Kohle nur halb so viele Treibhausgasemissionen produziert.“
Ein weiterer unbekannter Faktor ist, wie Kontinentaleuropa darauf reagieren wird.
„Ich bin nicht sicher, wie lange dieses Thema dort ignoriert werden kann“, so Tom. „Einige glauben, dass die USA schon ihr Pulver verschossen haben und es in ein paar Jahren kein Gas mehr geben wird. Doch das stimmt nicht. Wir haben Unternehmen in den USA getroffen, die bis jetzt auf weniger als zehn Prozent ihrer Fläche Bohrungen durchgeführt haben. Bei der Schiefergasproduktion in den USA handelt es sich um einen langfristigen Industriezweig und Vorkommen auf längere Sicht. Mit erneuerbaren Energien lässt sich nicht alles lösen. Erdgas ist die perfekte Ergänzung für erneuerbare Energien, weil Alternativen notwendig sind. Wenn der Wind nicht weht, muss der Kühlschrank weiterlaufen.“
INEOS’ 15-Jahresverträge mit den USA über Ethanimporte gelten als Zwischenlösung, während Europa noch mit einer Entscheidung ringt.
„Damit bekommen wir Zeit“, so Tom. „Dies ist eine Übergangslösung für die nächsten 15 Jahre, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wir hoffentlich eine einheimische Schiefergasproduktion haben werden, mit der wir das Ethan bekommen.“