Wir leben in einer Welt, in der sich die Technik in rasantem Tempo entwickelt. Aber wer steckt dahinter? Das Militär oder die Wirtschaft?
Einige der spannendsten technologischen Entwicklungen der Geschichte verdankt die Welt dem Militär.
Not machte sicherlich im Laufe des 20. Jahrhunderts erfinderisch. In Kriegszeiten brauchte man die Besten, konzentrierte man sich auf seine Aufgaben, stieß in wissenschaftliches Neuland vor und ermunterte dazu, schneller und schlauer als der Feind zu sein.
Computer, Wärmebildkameras, Radar, GPS, Düsentriebwerke, Kohlefaser und Drohnensysteme wurden alle für das Militär entwickelt, bevor sie im zivilen Alltagsleben eingesetzt wurden.
Aber die Dynamik hat sich hierbei etwas verändert.
„In der Vergangenheit waren Verteidigung und Luft- und Raumfahrt die starken Antriebskräfte der Innovation“, so die Aussage von Neil Stansfi eld, zuständiger Leiter für Wissen, Innovation und Zukunftsentwicklung im britischen Regierungslabor für Militärwissenschaft und Technik.
„Doch heutzutage kommt Innovation aus viel mehr unterschiedlichen Branchen und hat gewerbliche Triebkräfte.“
Allerdings sollte man die Bedürfnisse des Militärs nach Innovationen nicht unterschätzen, da Zugriff auf neue Technologien einen Wettbewerbsvorteil bedeuten kann, bei dem es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben oder Tod geht.
„In einigen Nischenbereichen wird das Militär immer Triebkraft für Innovation sein und diese frühzeitig einsetzen“, so Neil.
Es ist erst zwei Monate her, dass die US amerikanische Verteidigungsagentur für Leitprojekte ihre neueste Erfindung bekannt gab: handgeführte, gecko-ähnliche Schaufeln, mit denen Menschen vertikale Glasswände wie Spiderman hochsteigen können.
Mit Hilfe dieser neuen Technik kletterte ein Mann mit einem Gewicht von fast 100 Kilogramm – und einer Last von beinahe 23 Kilogramm – eine fast acht Meter hohe vertikale Glaswand ohne Seile oder Haken hoch.
Beim Projekt namens Z-Man-Projekt orientierten sich Wissenschaftler/innen an der Natur, nämlich am Gecko, damit Soldat/innen sich in bebauten Kriegsgebieten fortbewegen können, ohne dass sie dabei Seile oder Leitern brauchen.
„Der Gecko ist einer der besten Kletterer im Tierreich, daher war es ganz natürlich, dass wir uns davon inspirieren ließen, als es darum ging, einigen der Herauforderungen, denen sich US-Truppen bei Manövern in einem städtischen Umfeld stellen müssen, zu begegnen“, so Dr. Matt Goodman, der DARPAProgrammmanager für Z-Man.
Nicht nur dies, sondern auch die künstlichen, reversiblen Klebstoffe, die DARPA mit Hilfe von Nanotechnologie schuf, könnten eines Tages im Alltag nützlich werden.
Egal, welche Rolle das Militär letztendlich in Zukunft spielen wird, so sollte dies nie von der Bedeutung seiner Rolle in der Vergangenheit ablenken.
Das Globale Positionierungssystem, besser bekannt unter dem Namen GPS, wurde von der US-Luftwaffe Mitte der 1970er-Jahre erfunden, um Flugkörper zu lenken. Heute benutzen die meisten von uns, darunter Pilot/innen, Seeleute und Fischer/innen diese Technik des Raumzeitalters, um sich nicht zu verirren. Viele Mobiltelefone und moderne Autos sind ebenso mit Satellitennavigationssystemen ausgestattet, womit die Menschen jedesmal genau wissen können, wo sie zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Welt sind.
„Alle Smartphones haben jetzt als Standardausstattung Landkarten und Ortungsdienste“, so Ben Taylor, Direktor für Unternehmenskommunikation bei Vodafone UK. „Laut Ofcom, der britischen
Telekomaufsichtsbehörde, besitzen heutzutage mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Großbritannien ein Smartphone.“
Die erste Wärmebildkamera wurde für das Militär in Schweden 1958 von AGA entwickelt. Die Fähigkeit der Kamera, in völliger Dunkelheit und durch Rauch hindurch ein klares Bild zu produzieren, wurde in Kampfgebieten ein wertvolles Werkzeug.
Heute helfen Wärmebildkameras der Polizei, Verdächtige im Dunkeln aufzuspüren, Seeleuten in der Nacht zu navigieren, Feuerwehrleuten in rauchgefüllten Gebäuden nach Überlebenden zu suchen und Rettungsmannschaften Erdbebenopfer unter Tonnen von Schutt zu orten.
Laut FLIR Systems, der weltweit führenden Firma für Wärmebildkameras, würden diese auch oft dafür eingesetzt, um Gasleckagen zu entdecken bzw.
Gebäude auf Anzeichen nach schlechter Isolierung und Feuchtigkeit zu untersuchen.
Der erste elektronische digitale Rechner wurde von Techniker/innen für das US-amerikanische Militär während des Zweiten Weltkriegs konstruiert, um ihnen zu helfen, Artilleriefeuerreichweiten zu berechnen. Als ENIAC, wie er genannt wurde, schließlich am 15. Februar 1946 im Penn’s Moore Building in Philadelphia vorgeführt wurde, wurde er von der Presse als „Riesenhirn“ gefeiert. Er hatte fast 500.000 USD gekostet, aber dieses revolutionäre Gerät war, wie wir alle inzwischen wissen, weltbewegend.
„Ohne ENIAC gäbe es kein Google, Microsoft oder viele Dinge, welche die heutige Weltwirtschaft vorantreiben“, so Bill Green, ehemaliger Stadtrat der Demokratischen Partei im Stadtrat von Philadelphia, Pennsylvania.
Eine andere Technologie, die vom Militär entwickelt wurde, ist das Radar, das von mehreren Nationen vor und während des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurde und vermehrt in Großbritannien als Frühwarnsystem eingesetzt wurde, um einfl iegende feindliche Flugzeuge aufzuspüren.
Heute wird Radar dazu eingesetzt, das Wetter vorherzusagen, Flugzeugen dabei zu helfen, sicher zu fl iegen und zu landen, ferner von der Polizei, die damit Fahrer/innen bei Geschwindigkeitsübertretungen blitzt.
Der britische Ingenieur Sir Robert Watson-Watt, der maßgeblich an der Entwicklung des Radar beteiligt war, soll in den 1950er-Jahren von einem Polizisten, mit einer Radarpistole in Kanada bei einer Geschwindigkeitsübertretung geblitzt worden sein. Als der Polizeibeamte ihn darauf ansprach, soll er geantwortet haben: „Wenn ich gewusst hätte, was Sie damit machen, hätte ich es nie erfunden.“
Durch Radartechnik entstand auch der erste Mikrowellenherd. Während eines Experiments mit Magnetronen in seinem Raytheon Labor in Massachusetts entdeckte der Wissenschaftler Percy Spencer, dass die Radarsensoren einen Schokoriegel in seiner Tasche zum Schmelzen gebracht hatten. Er war überrascht und bat seinen Assistenten, ihm eine Tüte Popcorn zu besorgen, verteilte das Popcorn auf dem Tisch in der Nähe der Magnetronen und wartete. In weniger als einer Minute begannen die Kerne zu explodieren.
Drohnen, die zuerst für Zielübungen in den 1930er-Jahren für das Militär entwickelt worden waren, und jetzt verstärkt zur Überwachung und bei Bombardierungseinsätzen eingesetzt werden, setzen sich auch immer mehr im gewerblichen Bereich durch. Der zivile Luftraum soll bis 2015 in den USA und bis 2016 in Europa für alle Arten von Drohnen geöffnet sein. Der Verband für Zivilluftfahrt in den USA geht davon aus, dass bis 2030 30.000 zivile und kommerzielle unbemannte Flugzeuge am Himmel kreisen werden.
„Ich habe auf jeden Fall erlebt, wie Militärtechnik in einem kommerziellen Umfeld eingesetzt werden könnte, als ich in der britischen Luftwaffe diente“, so Mark Sickling, der sowohl Drohnen über Afghanistan und Irak zu Aufklärungszwecken als auch zu bewaffneten Einsätzen von einer Kontrollstation in Las Vegas lenkte.
Er ist inzwischen Chefpilot bei Cyberhawk, von denen über Fernbedienung betriebene Luftfahrzeuge eingesetzt werden, um alles zu überprüfen: angefangen von heißen Abfackelungen bei INEOS und Petroineos-Standorten, bis hin zu Windturbinen und Offshore Erdöl- und Erdgasinstallationen.
Mark äußerte sich eingehend darüber, dass ein Großteil kommerzieller Technik jetzt auch vom Militär verwendet wird, weil Militärhaushalte schrumpfen.
Ein kommerzielles Unternehmen, das seine eigenen umfangreichen Forschungen über den Gebrauch unbemannter Drohnen durchführt, ist Amazon, der weltweit größte Online-Händler.
Vergangenes Jahr wurde von Amazon angekündigt, dass man dabei sei, „Octocopters“ zu erproben, um Pakete bis zu einem Gewicht von 2,3 Kilogramm an Kunden innerhalb von 30 Minuten nach Bestellung zu versenden.
„Ich weiß, dies klingt wie Science Fiction, aber das ist es nicht“, so Vorstandsvorsitzender Jeff Bezos. „Ich möchte nicht, dass die Leute glauben, dass sei schon morgen möglich. Es muss noch Jahre lang daran gearbeitet werden. Aber es wird funktionieren. Es wird soweit kommen. Es wird sehr lustig werden.“
Craig Roberts, Vorstandsvorsitzender bei Cyberhawk, ist nicht ganz so optimistisch wie Jeff von Amazon.
„Es ist eine schöne Idee“, meinte er. „Aber im Moment ist es Science Fiction, weil es nicht möglich ist, innerhalb der bestehenden Einschränkungen der britischen Zivilluftfahrtbehörde sicher zu fl iegen.“
In Großbritannien dürfen unbemannte Flugzeuge beispielsweise nicht über 150 Meter bzw. nicht innerhalb von 50 Metern eines bebauten Gebietes oder einer Straße fl iegen und Lenker/innen müssen das Flugzeug jederzeit sehen können.
„Amazons Idee ist Zukunftsmusik“, so Craig weiter.