INEOS ist drauf und dran, ein Weltklasse-Chlor-Vinylgeschäft zu gründen. Aber mit dem INOVYN Joint Venture mit Solvay hat man etwa anderes erreicht: damit konnte eine andere Konzernsparte, die bis jetzt nicht sehr bekannt war, eine Möglichkeit bekommen, zu glänzen, wie Ralston Skinner INCH erklärt hat.
Demosthenes, wahrscheinlich der größte griechische Redner, sagte einmal, dass kleine Chancen oft der Anfang großer Unternehmungen sind.
Jemand, der fest daran glaubt, ist Ralston Skinner, Generalmanager bei der neu gegründeten Firma INEOS ChlorToluenes.
Das Spezialchemikalienunternehmen, das mehr als 100 Beschäftigte hat, soll zum ersten Mal aus eigener Kraft operieren.
Und Ralston ist gespannt darauf, was man umsetzen kann, für die Kunden weltweit und für das Ergebnis.
„Das Geschäft war einmal ein Teil des viel größeren INEOS ChlorVinyls, bei dem es verständlicherweise eine sehr niedrige strategische Priorität hatte”, sagte er. „Aber all das hat sich jetzt mit dem INOVYN Joint Venture verändert“.
Kurz gesagt: ein vielleicht etwas zu kurz gekommener Teil des Unternehmens tritt jetzt in den Mittelpunkt.
Die meisten Beschäftigten von INEOS ChloroToluenes sind im belgischen Tessenderlo tätig.
Der Rest befindet sich entweder im niederländischen Maastricht oder im britischen Runcorn.
Das Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von 80 Millionen Euro verkauft jedes Jahr etwa 55.000 Tonnen an Produkten.
„Mit der richtigen Strategie hoffen wir, den Umsatz in den nächsten drei Jahren verdoppeln zu können”, so Ralston.
Trotz der gegenwärtigen Größe handelt es sich um einen der drei Tophersteller von chlorhaltigen Toluolderivaten weltweit.
„Es gibt nicht viele von uns”, so Ralston weiter. „In Europa gibt es nur zwei oder drei große Akteure, die Benzylchlorid herstellen. Es gibt keine Hersteller in Japan und nur einen in den USA. Das ist eine riesige Chance für uns. Der Markt ist vorhanden. Wir müssen einfach unsere innovative Logistikplattform entwickeln und wir wissen, dass die Kunden mit uns ins Geschäft kommen wollen.“
In der Welt der Chemie kommen wir nicht ohne Benzylchlorid aus.
„Es ist wirklich der Grundstoff für alles, was man sich vorstellen kann”, so Geschäftsführer Bruno Stockhem. „Einfach alles: von Kosmetika, Pharmaartikeln, Agrochemikalien, Lacken – für all das wird es gebraucht.“
INEOS’ Hauptkonkurrent ist in Europa. Er verfügt über ähnliche Technologien, aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
„Die Tradition dieser Firma ist ganz anders als unsere”, so Ralston. „Wir haben unsere Produkte in verschiedenen Bereichen entwickelt.“
„Sie konzentrieren sich auf Cresole, Ausgangsprodukte für Antioxidantien, Pharmazeutika und Körperhygieneprodukte wie Zahnpasta, Mundspülung, wohingegen wir Produkte herstellen, die verwendet werden, um solche Dinge wie Desinfektionsmittel, Agrochemikalien, Lacke, Duftstoffe und Harze herzustellen”, so seine Aussage.
Die Nachfrage nach Agrochemikalien wie Düngemitteln, Herbiziden und Pestiziden, die von Landwirt/innen beim Anbau von Ackerpfl anzen eingesetzt werden, wächst schnell in den Entwicklungsländern.
Laut Vereinter Nationen sollen bis 2075 9,2 Milliarden Menschen auf der Welt leben. Mehr Menschen bedeutet, dass mehr Menschen satt werden müssen und es an Anbaufl äche fehlen wird.
Agrochemikalien verbessern die Produktivität, indem sie Landwirt/innen helfen, Schädlinge und Unkraut zu bekämpfen, die ganze Ernten vernichten können.
Im letzten Jahr wuchs der lateinamerikanische Markt um etwa ein Viertel auf ca. 14 Milliarden USD, wobei der internationale Agrochemiemarkt bis zum nächsten Jahr 223 Milliarden USD betragen soll.
Im Mai begrüßte die britische Ackerpfl anzenschutzvereinigung das Engagement der britischen Regierung, mehr zu tun, um die nationale Landwirtschaftsproduktion anzukurbeln, aber drängte die Europäische Union dazu, ähnlich zu handeln.
„Leider scheinen unsere europäischen Kolleg/innen nicht zu wissen, welche Rolle unser Kontinent dabei spielen muss, wenn es darum geht, die landwirtschaftliche Produktivität zu optimieren”, so die Meinung von Nick von Westenholz, Vorstandsvorsitzender der Ackerpflanzenschutzvereinigung. „Wir sehen dies ganz deutlich bei EU-Entscheidungstragenden, die gegenüber Ackerpfl anzenschutztechnik übervorsichtig sind. Dies bedeutet, dass viele der Hauptackerpflanzen, von denen unsere Landwirt/innen abhängen, gefährdet sind, vom Markt genommen zu werden oder es mitunter tatsächlich so weit kommt, obwohl sie sich als sicher erwiesen haben und einem der strengsten Genehmigungsverfahren weltweit unterliegen.“
Laut INEOS kommt die Nachfrage nach Agrochemikalien aus Brasilien, China und Südafrika, alles Länder, in denen die Landwirtschaft sich rasant entwickelt hat und effi zienter arbeiten möchte.
„Da ist ein echter Wachstumsmarkt für uns in diesen Ländern”, so Ralston. „Das Wachstum kommt sicher nicht aus Europa.“
Benzylalkohol von INEOS ChloroToluenes wird auch bei der Herstellung von Bewuchsschutzsystemen für Schiffsanstriche verwendet, womit verhindert wird, dass Seepocken und Algen sich an die Schiffsrümpfe hängen und diese damit verlangsamen.
Es mag ein kleiner, aber wichtiger Markt sein.
„Seepocken sind wirklich ein echtes Problem, weil Schiffe mehr Treibstoff verbrennen, wenn ihre Rümpfe mit Meerestieren verkrustet sind”, so Ralston. „Dies führt wiederum zu mehr Kohlenstoffemissionen.“
Die Herstellung von Nischenprodukten, Spezialchemieprodukten, die nicht einfach nachzumachen sind, gelingt INEOS ChloroToluenes gut.
„Viele unserer Kunden sind ebenso Spezialisten”, so Ralston. „So machen wir vielleicht ein Produkt für einen Kunden. Aber wir profi tieren davon, wenn unsere Kunden neue, innovative Nutzungen unserer Produkte finden.“
Wenn wir in die Zukunft blicken, sehen wir Chancen, Herausforderungen und Bedrohungen.
INEOS ist mit einer logistischen Herausforderung konfrontiert, wenn es seine Exporte nach Japan und in die USA steigern will.
„Japan wurde traditionsweise von China beliefert, aber wir überlegen uns, was wir tun können, um mit China konkurrieren zu können”, so Ralston weiter. „Es liegt nur an der schlauen Logistik, aber was wir gut können, ist, innovative Methoden zu finden, um umständliche Bestimmungsorte mit umständlichen Mengen zu beliefern.“
Man befürchtet immer das Risiko verstärkter EURegulierung, was es schwierig oder unwirtschaftlich macht, Chemikalien zu exportieren.
„Man muss immer damit rechnen, dass eine unserer Chemikalien zur ‚Risiko‘-Liste hinzugefügt wird, was sie unwirtschaftlich macht”, so Ralston.
Da INEOS ChloroToluenes plant, seinen Umsatz zu steigern, indem man Chemikalien um die Welt transportiert, ist es auch wichtig, dass man Lieferungen von Toluolen sichern kann, welche mit Chlor gemischt werden, um alle ihre Produkte herzustellen.
INEOS ChloroToluenes kauft den Großteil seines Toluols von anderen Unternehmen. Man weiß, dass eine zuverlässige Versorgung ausschlaggebend für Erfolg ist und bemüht sich immer um neue Methoden, damit nichts dem Zufall überlassen wird.
„Deswegen suchen wir Projekte, mit denen wir auch Toluol aus dem deutschen INEOSWerk in Köln in unser Werk in Belgien bringen können”, so Ralston. „Somit bleibt es in der Familie.”