Wenn Wissenschaflter/innen nicht immer wieder ihre Horizonte erweitern wollten, wäre die Welt sicher ganz anders. Viele Dinge, die wir für selbstverständlich halten, gäbe es sonst nicht. Wie kann man also junge Leute davon überzeugen, eine Karriere in Naturwissenschaften und Chemie einzuschlagen? Dies stellt für viele Länder ein Problem dar. Aber Planet Erde braucht Wissenschaftler/innen, wenn globale Armut und globaler Klimawandel bekämpft werden sollen.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass Albert Einstein ein Genie war.
Der in Deutschland geborene, amerikanische Physiker hat vielleicht nicht schwimmen gelernt, aber er stellte die Welt mit seiner Relativitätstheorie auf den Kopf.
Selbst wenn der Durchschnittsbürger den Namen Einstein hört, so stellt sich dieser einen alten Mann, mit stechendem Blick, wildem grauen Haar in einem zerknitterten Laborkittel vor.
Das zeigt einen Teil des Problems mit den Naturwissenschaften.
„Für viele Menschen sind die Naturwissenschaften ein Spiel alter Männer, aber das stimmt nicht”, so Professor Brian Cox während eines jüngsten Interviews mit einer britischen überregionalen Tageszeitung. „Die meisten in Großbritannien tätigen Wissenschaftler/innen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Sogar Einstein führte seine Arbeiten, welche die Welt verändert haben, durch, als er ein junger, gut aussehender Mann war, der trank und sich ein wenig daneben benahm. Es ist also beides möglich.”
Professor Cox, ein ehemaliger Popstar, der in den 1990er-Jahren einen Hit mit „D:Ream“ und „Things Can Only Get Better“ gelandet hat, setzt sich voller Begeisterung dafür ein, die Wissenschaft dem breiten britischen Publikum zugänglich zu machen.
Im letzten Jahr präsentierte er fünf Sendungen in der BBC, mit dem Titel „Wunder des Lebens“, in denen er erklärte, wie ein paar Grundgesetze der Naturwissenschaft die Urspünge des Lebens ermöglich hatten. Beth Regan, eine Journalistin bei BBC Factual in Großbritannien, meinte dazu, die Serie habe pro Folge durchschnittlich fast drei Millionen Zuschauer gehabt.
„Sendeanstalten tragen eine große Verantwortung, wenn es darum geht, das Bild der Naturissenschaften zu erneuern”, so Professor Cox in einem Gespräch mit der britischen Tageszeitung Daily Telegraph, der Journalistin Bryony Gordon. „Sie müssen zeigen, dass es nicht unbedingt ein Spiel ist, das nur von Superschlauen gespielt werden kann.“
Jüngste Forschungsarbeiten des King’s College London kamen zu dem Ergebnis, dass viele britische Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren lieber Friseur/innen oder Kosmetiker/innen als Wissenschaftler/innen sein wollen. Obwohl sie zustimmten, dass Naturwissenschaften interessant seien und dass Wissenschaftler etwas in der Welt bewegen könnten, sahen sie dies nur als Karriere für „hochtalentierte Streber“.
„Es reicht sicher nicht aus, Naturwissenschaft nur gern zu mögen”, so Professorin Louise Archer, Direktorin der ASPIRES-Studie, welche die Ergebnisse des fünfj.hrigen Studienberichtes des Britischen Bildungsministeriums vorstellte.
Aber sie meinte, die negative Einstellung zum Naturwissenschaftsunterricht und Wissnschaftler/innen sei nicht das Problem. Das Problem, so ihre Aussage, sei mangelnde Auffklärung darüber, was man mit Naturwissenschaften anfangen könne.
„Man geht davon aus, dass die meisten naturwissenschaftlichen Abschlüsse nur zu Berufen wie Wissenschaftler/innen, Lehrer/ innen für naturwissenschaftliche Fächer oder Ärzt/innen führen”, so ihre Aussage.
Viele Regierungen und Organisationen weltweit machen sich Sorgen, dass nicht genügend junge Leute sich für ein Studium der Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik (engl. Abkürzung: STEM) im Alter von 16 Jahren entscheiden.
Dies hat sich zu einer internationalen Priorität für Regierungen und die Wirtschaft entwickelt, wobei man allgemein besorgt darüber ist, welche Auswirkungen dies auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes und die Innovationskraft in einer globalen Wirtschaft haben kann.
„Nationale Regierungen versuchen, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Länder zu verbessern und mit wenigen Ausnahmen betonen sie die wichtige Rolle der STEMIndustriezweige, wenn es darum geht, ihre Ziele zu erreichen”, so Derek Bell, Professor für Bildungswesen, an der britischen Pädagogischen Hochschule, dem College of Teachers.
Professor Bell sprach anlässlich einer internationalen Konferenz von Akademien der Wissenschaften. Insgesamt kamen mehr als 100 Delegierte aus 58 Ländern zusammen, um zu hören, was man tun könnte, um die wissenschaftliche Bildung zu verbessern.
Das war 2012. Fünf Jahre zuvor hatte die Europäische Kommission gewarnt, dass es einen „alarmierenden Rückgang“ am Interesse junger Leute an den Naturwissenschaften und Mathematik in Europa gebe.
Sie meinte, dass trotz Anstrengungen, diesen Trend rückg.ngig zu machen, alle Anzeichen auf Besserung verhalten seinen und dass die langfristige Fähigkeit Europas für Innovation zu sorgen und wettbewerbsfähig zu bleiben, Schaden erleiden würde, wenn man sich nicht wirksamer dafür einsetze.
Eine ihrer Empfehlungen lautete, radikal den Unterrichtsstil in den Naturwissenschaften in der Primarund Sekundarstufe zu verändern, hin zu einer Methode, die auf einem forschenden Lernen beruht.
Seitdem haben immer mehr Länder sich auf Unterricht mit forschendem Lernen verlegt, einer Unterrichtsmethode, bei der die Schüler/innen ermutigt werden, Fragen zu stellen.
In Deutschland, wo jetzt auf forschendem Lernen gestützter Unterricht an vielen Schulen zum Lehrplan gehört, ist INEOS in Köln sehr aktiv bei der Sache.
„Seit 2008 haben wir starke, langfristige Partnerschaften mit 23 Grund- und 8 weiterführenden Schulen gestartet, die das‚TuWaS!’-Programm umgesetzt haben,“ so Dr. Anne-Gret Iturriaga Abarzua, Leiterin Unternehmenskommunikation bei INEOS in Köln. „Durch Werkbesichtigungen bei uns und Besuche unserer Beschäftigten in Schulen wissen wir, wie wichtig es ist, dass Lehrinhalte auch aktuell sind. Diese Partnerschaften helfen uns als Unternehmen, als Branche und auch als Industrieland, junge Leute zu finden, insbesondere Mädchen, die neugierig, begeistert und motiviert sind, um die Welt durch Naturwissenschaften lebenswerter zu machen.“
Bisher haben vier Bundesländer das ‚TuWaS!’-Programm für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren übernommen. Das Programm wurde von der Freien Universität Berlin von Professor Dr. Petra Skiebe-Corrette gegründet, nachdem sie erlebt hatte, dass ein ähnliches Modell in Schweden Wunder gewirkt hatte.
Lehrkräfte besuchen ein eintägiges Seminar, bei dem sie zunächst lernen, mit naturwissenschaftlichen und technischen Experimenten zu unterrichten. Dann gehen sie zurück ins Klassenzimmer, bewaffnet mit Experimenten für ein Schuljahr und dem Selbstvertrauen, diese unterrichten zu können.
INEOS in Köln ist der größte Sponsor im Rheinland und unterstützt fast die Hälfte der 70 Schulen, die das „TuWaS!“-Programm durchführen. Beschäftigte von INEOS sind als Botschafter tätig und haben somit mehr als 6.000 Schüler erreichen können.
„Das Programm zwingt Kinder dazu, Fragen zu stellen, eher als fertige Antworten zu bekommen,“ so Andreas Niessen, Direktor des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Pulheim.
Bei einer globalen Schulkonferenz in Finnland im Jahr 2012 war Anne-Gret eingeladen gewesen, um darüber zu sprechen, wie Bildung und Wirtschaft erfolgreich zusammenarbeiten könnten.
„Es war das erste Mal, dass jemand aus der Wirtschaft eingeladen gewesen war, bei dieser Konferenz zu sprechen.“
Naturwissenschaftlicher Unterricht, der auf forschendem Lernen beruht, kommt ursprünglich aus Amerika, aber in den USA ist es auch schwer, der breiten Bevölkerung die Naturwissenschaften schmackhaft zu machen.
Im Juni dieses Jahres sagte Lisa Colco, Direktorin des City College von New York, dass sie angesichts der mangelnden Anzahl von amerikanischen Abiturient/innen, die Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik studieren wollten, besorgt sei.
„Die STEM-Disziplinen sind viel mehr als nur das Auswendiglernen von Formeln und langweiligen Berechnungen, die sich ständig wiederholen”, sagte sie. „Diese Fächer stehen an erster Stelle, wenn es darum geht, die größten Probleme der Gesellschaft zu lösen, vom Klimawandel bis Umwelthygiene und Krankheiten bis zur Informatik der nächsten Generation und Kommunikationstechnik.“
Um diesem Trend entgegenzusteuern, hat das City College einen ganzheitlichen Ansatz für die Lehre gewählt, der vom Gemeinsamen Fernentdeckungszentrum für Wissenschaft und Technik entwickelt wurde.
„Wenn wir Kindern schon früh zeigen, was STEM-Fachkräfte tun, dann ist es wahrscheinlicher, dass sie sich dafür interessieren, Naturwissenschaftler/innen, Ingenieur/innen, Physiker/innen und Ähnliches zu werden,“ so ihre Aussage.
Das US-amerikanische Amt für Beschäftigungsstatistik geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2018 1,2 Millionen neue Arbeitsplatzmöglichkeiten in Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik geben wird, aber man befürchtet, dass es stark an qualifizierten Universitätsabsolvent/innen fehlen wird, um diese Stellen zu besetzen.
Dennis Seith, Vorstand von INEOS O&P USA, ist ein Mitglied des Texas A&M University Akademischen Rates für Technik, der mit dem Dekan für Ingenieurswissenschaften zusammenarbeitet, um die Bedürfnisse der Wirtschaft zu definieren und Lehrmethoden zu überarbeiten. Das Ziel besteht darin, bis 2025 25.000 Studierende der Ingenieurswissenschaften zu finden, doppelt so viele Studierende, wie sich derzeit immatrikulieren.
INEOS O&P USA haben ebenso eine Initiative ins Leben gerufen, um INEOS’ Zugriff auf Begabte zu verbessern, indem Beziehungen mit regionalen technischen Schulen und Ausbildungszentren gefördert werden. Und es hat sich bereits als hilfreich erwiesen, wenn es darum geht, Qualifikationen intern zu fördern, indem man Lehrlinge nimmt.
Alles ist nützlich.
Als Unternehmen brauchen wir ständig ein Angebot an hoch qualifizierten, sehr disziplinierten Beschäftigten. INEOS kann es sich daher nicht leisten, das Problem zu ignorieren. Tut man auch nicht.
Am britischen INEOS-Standort im schottischen Grangemouth veranstaltet INEOS jedes Jahr eine zweiwöchige Naturwissenschaft-, Technik- und Ingenieurswissenschaftsmesse. Dort können 2.000 Kinder aus der Umgebung erste konkrete Erfahungen in Naturwissenschaft und Technik sammeln.
„Dies ist die beste Möglichkeit, junge Leute für Ingenieurswissenschaften und Industrieproduktion zu begeistern und alle Vorurteile zu beseitigen, dass Naturwissenschaften ein ‚langweiliger Beruf‘ sind,“ so Tom Crotty, Corporate Affairs Director.
Zusätzlich dazu organisiert die Königliche Gesellschaft für Chemie jährlich die britische Chemie-Olympiade für Jugendliche in Großbritannien und seit 2007 ist INEOS bereits Sponsor bei diesem Wettbewerb, damit die nächste Generation für eine Berufslaufbahn in den Naturwissenschaften begeistert werden kann.
„INEOS‘ Unterstützung hat uns sehr dabei geholfen, mehr Teilnehmer für den Wettbewerb zu gewinnen”, so Jim Lley, Direktor für Naturwissenschaft und Technik bei der Königlichen Gesellschaft für Chemie.
Auch andere versuchen, diese Botschaft, dass Naturwissenschaften cool sind, zu vermitteln.
Elise Andrew startete im März 2012, als sie in ihrem letzten Studienjahr ihres Biologiediplomstudiengangs an der britischen Universität Sheffield war, die Website www.iflscience.com, und im Oktober letzten Jahres sagte sie der britischen Zeitung The Guardian: „Ich finde es toll, dass es bei den Naturwissenschaften nie ein Ende gibt. Bei den Naturwissenschaften führt jede beantwortete Frage zur nächsten.“
Jemand, der dies nicht bestreiten würde, ist Professor Dave Charlton von CERN in der Nähe von Genf in der Schweiz. Er sagte, dass er hoffe, die Entdeckung des schwer zu entdeckenden Higgs-Boson-Teilchens, des sogenannten „göttlichen Teilchens“ dazu beitragen würde, eine neue Generation von Physiker/innen und Naturwissenschaftler/innen zu beflügeln.
„Wir bei CERN erklären immer gern den Nicht- Expert/innen unsere Wissenschaft und wie wir ihr nachgehen, weil ein Verständnis der Methoden und Konzepte der Naturwissenschaft die Grundlage unserer Gesellschaft ist“, so seine Aussage.
Krise? Welche Krise? Fragt man in China.
Naturwissenschaften haben kein Imageproblem in China, das inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist.
Laut eines jüngsten Berichts des amerikanischen National Science Board hat China in den letzten 20 Jahren immer mehr Mittel für Naturwissenschaft und Technik aufgewendet.
Im Jahr 2011 wurde China zum größte Patentamt weltweit, mit 526.000 Patentanmeldungen, im Vergleich zu den USA im selben Jahr mit etwa 503.000 Anmeldungen. Diese Kluft wird immer größer.
Suwatchai Songwanich, Vorstandsvorsitzender der Bangkok Bank, sagte in einem jüngsten Artikel für die Nation Multimedia Group, dass Chinas Ziel darin bestehe, führend in naturwissenschaftlicher Bildung zu sein und China Naturwissenschaft und Technik als ausschlaggebend für seinen Wirtschaftserfolg sehe.
„Das Ziel besteht darin, China von einer Industrienation in eine Innovationsgesellschaft zu überführen,“ schrieb er. „Die Regierung möchte dies erreichen, indem das Investitionsniveau in Forschung und Entwicklung erheblich angehoben wird. Forschung und Entwicklung sollen bis 2020 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.“