Es ist nicht der typische Traumurlaubsort, aber manche Menschen wie Doug Stoup werden von Orten geradezu magisch angezogen, die kein Mensch normalerweise besuchen würde.
Niemand war jemals auf dem Gipfel des ostarktischen Plateaus.
Wissenschaftlern zufolge ist der knapp 1.000 Kilometer lange gefrorene Bergkamm, auf dem Temperaturen auf unter -92° C sinken, ein so ungastlicher Ort, dass dort nichts gedeihen oder überleben kann.
Er ist so bitterkalt, dass menschliche Augen, Nasen und Lungen innerhalb weniger Minuten erfrieren.
„Da oben ist es außerirdisch und es ist wahrscheinlich so wie auf einem anderen Planeten“, meint Ted Scambos, leitender Wissenschaftler des US National Snow and Ice Data Center in Boulder, Colorado. „Das Atmen fällt unheimlich schwer, und es tut richtig weh. Es brennt in der Nase, zu schnelles Einatmen verursacht Stechen in Rachen und Lunge.“
Der Polarforscher Doug Stoup kennt sich mit derart lebensfeindlichen Orten bestens aus, da er die Antarktis öfter als jeder andere erkundet hat.
„Die Antarktis ist mein Büro“, scherzt er im Interview mit INCH beim Schifahren im Hinterland von Lake Tahoe in Kalifornien. „Es ist ein unwirtlicher Ort, aber ich bin nicht lebensmüde und will immer sicher heimkehren.“
Mit 49 Jahren wird er als Veteran bezeichnet, der einige der entlegensten Gegenden unseres Planeten bereist, erklettert und per Schi oder Snowboard erkundet hat.
Wäre es für ihn also verlockend, dieses entlegene Eisplateau zu erklimmen, das Wissenschaftlern zufolge im Dezember der kälteste Ort der Erde ist?
„Sicher!“, meint er. „Ich war schon an so vielen Orten, die vor mir kein Mensch betreten hat. Meine Antwort lautet also: Ja, klar! Ich liebe es, meine Grenzen zu erkunden und habe noch so viele Ziele und Träume.“
Mit lähmenden -93,2 °C ist es dort allerdings fast doppelt so kalt wie am kältesten Ort, an dem Doug bisher war.
Er weiß, was auf ihn zukäme.
„Du darfst nicht stehen bleiben“, sagt er. „Es ist so bitterkalt, du musst immer in Bewegung bleiben. Wenn du stillstehst, verbrennst du Kalorien, nur um dich warm zu halten und am Leben zu bleiben. Ist deine Haut nicht abgedeckt, kriegst du sofort Frostbeulen.“
Den kältesten Ort der Welt entdeckten Wissenschaftler bei der Datenanalyse von Satelliten, die seit 32 Jahre unseren Planeten umkreisen. Der letzte Satellit, Landsat 8, wurde im Februar 2013 in die Umlaufbahn geschickt und sendet aus einer Höhe von 705 km pro Tag 550 Bilder von der Erde.
„Derzeit wird die Erde von einem sehr genauen und gleichmäßigen Sensor umrundet, der uns viel darüber erzählen kann, wie sich die Erdoberfläche verändert, welche Auswirkungen das Klima auf die Erde, die Ozeane und Polargebiete hat“, erklärt Ted. „Den kältesten Ort der Erde zu finden ist erst der Anfang.“
Doug würde dem sicher zustimmen.
„Ist man mental und körperlich vorbereitet und hat die richtige Ausrüstung, ist alles möglich“, sagt er.
Doug führt seit mehr als zehn Jahren Teams über den zugefrorenen Arktischen Ozean zum Nordpol sowie zum Südpol in der Antarktis.
„Der Trip zum Nordpol ist der härteste der Welt“, erklärt er. „Bewegt sich das Eis, reißt es auf. Wenn du in deinem Zelt schläfst, fühlst und hörst du, wie es ächzt, aufbricht und sich bewegt unter dir. Manchmal hört es sich an wie ein Flüstern, dann wie ein Zug. Und es besteht natürlich immer die Gefahr, dass du Eisbären triffst.“
Die mentale und körperliche Vorbereitung darauf, was vor dir liegt, ist zwar unbedingt notwendig, aber nicht
genug. Ohne die richtige Kleidung würden viele Expeditionen scheitern.
„Die chemische Industrie spielt eine riesige Rolle bei der Entwicklung von Dingen, die Menschen wie mich am Leben halten“, sagt er. „Sie macht Funktionskleidung möglich, die mir hilft, warm und trocken in unwirtlichen Gegenden zu bleiben, während ich inaktiv bin, und zugleich meine Hautatmung kontrolliert, wenn ich mich bewege.“
Doug war bereits an der Entwicklung von leistungsstarker Kleidung für Polarforschende beteiligt und wird nun seine Erfahrungen in Kürze bei der NASA einbringen bei ihrem Vorhaben, Menschen auf den Mars zu bringen.
Er wird bald nach Devon Island in Kanada reisen , die größte unbewohnte wüstenartige Insel der Welt, kalt, trocken und trostlos mit einem etwa 23 Millionen Jahre alten und 24 Kilometer breiten Einschlagkrater. Eine großartige Umgebung für Wissenschaftler, die herauszufinden wollen, was für die Durchführung einer bemannten Mission zum Mars erforderlich ist.
Experten sagen voraus, dass es der NASA in den 2030er Jahren möglich sein wird, ein Team von Astronaut/innen auf den Mars zu schicken. Der Mars hat wie die Erde Polareiskappen, Jahreszeiten, Vulkane, Schluchten und Wüsten. Da die Temperaturen allerdings in der Nacht auf bis zu -128 °C fallen, ist es dort jedoch deutlich kälter.
„Der Mars ist kein Ort für Schwache“, sagt ein Sprecher der Weltraumagentur.
So würde niemand Doug bezeichnen, der das Überqueren eines Spaltenfelds während einer 47-tägigen Tour zum Südpol 2008 fast mit seinem Leben bezahlte. Auf dieser fast 1.190 Kilometer langen Tour folgte er einer Route, die Polarforscher Ernest Shackleton erstmals gewählt hatte.
Ob er sich jemals Sorgen machte? „Nein“, meint er.
Und hatte er auch schon Angst? „Ja“, meint er. „Einmal bin ich mit dem Taxi von Heathrow ins Londoner Zentrum gefahren. Das war verrückt.“