INEOS’ radikaler Ansatz 2009 wird sich im kommenden Jahr rechnen, wenn die ersten Lieferungen mit kostengünstigem Ethan aus den USA im norwegischen Rafnes eintreffen werden, um die Betriebskosten der INEOS-Gaskracker in Europa zu senken. Doch warum soll man es dabei belassen? Diese Frage stellt sich INEOS jetzt.
INEOS hasst Verschwendung. Dazu gehört auch die Verschwendung von Chancen, Geschäftsbereiche effizienter zu führen.
Nach Abschluss bahnbrechender 15-Jahres-Verträge mit zwei US-amerikanischen Unternehmen über den Import von günstigem, aus Schiefer gewonnenem Ethangas aus den USA nach Europa, mit dem die Betriebskosten der europäischen Anlagen gesenkt werden sollen, blickt INEOS nun Richtung Großbritannien.
Ein neues, von Gary Haywood geleitetes Team wägt gerade die Vor- und Nachteile der Schiefergasgewinnung und -erzeugung in Großbritannien ab, da dieses Land zu den wenigen Ländern in der EU gehört, das die Bedeutung des hydraulischen Aufbrechens (auch bekannt als „Fracking“) erkannt hat. Dabei können Gas und Flüssigkeiten aus Schieferformationen extrahiert werden.
Gary zufolge war die Unterstützung der Schiefergaserkundung durch die britische Regierung ein wichtiger Faktor für die Entscheidung seitens INEOS, in ein eigenes Projektteam zu investieren, das im Februar gegründet wurde.
„Ohne Unterstützung der Regierung wäre die Entwicklung der Schiefergasgewinnung praktisch unmöglich“, erklärt er.
Die britische Regierung hat inzwischen eine Behörde für unkonventionelle Gas- und Ölförderung eingesetzt (Office of Unconventional Gas and Oil), über welche die sichere, verantwortungsvolle und umweltverträgliche Gewinnung der Schiefergas- und Erdölressourcen in Großbritannien gefördert werden soll. Weiterhin wurden Steuererleichterungen angekündigt, um Investitionen zu erleichtern.
„Die Regierung hat erkannt, dass Schiefergas Großbritannien potenziell eine größere Energieversorgungssicherheit, Wachstum und Arbeitsplätze bieten und zudem die chemische und energieintensiven Fertigungsindustrien in Großbritannien weiter auf Erfolgskurs halten kann“, erläutert Gary.
Bis heute wurden 176 Lizenzen für die Erkundung und Entwicklung der Erdölförderung (Petroleum Exploration and Development Licences, PEDL) für Öl- und Gasvorkommen auf dem britischen Festland vergeben. Im Laufe des Jahres sollen weitere Lizenzen hinzukommen.
Die Schiefergasrevolution in den USA hat die amerikanische petrochemische Industrie gewandelt.
Die US-amerikanischen Gaspreise betragen inzwischen ein Drittel bzw. die Hälfte der Preise in Europa (und ein Viertel der Preise in Asien). Dies hat sich auch auf die Rohstoffe für Kracker positiv ausgewirkt. Dennis Seith, CEO von Olefins & Polymers (USA), erklärt, dass die Auswirkungen der verminderten Energiekosten für die amerikanische Industrie geradezu phänomenal waren.
Man geht davon aus, dass die US-amerikanischen Chemieunternehmen bis 2020 mehr als 70 Milliarden Dollar in neue Fertigungsanlagen investieren werden. Die Kostenvorteile haben diese Entwicklung beschleunigt. Die Faktoren, welche die Gaspreise in Großbritannien beeinflussen, sind komplex und unterscheiden sich deutlich von den Faktoren in den USA. Es ist unwahrscheinlich, dass die Auswirkung einer hohen Schiefergaserzeugung auf die Gaspreisentwicklung genau der Situation in den USA entsprechen wird. Es bestehen jedoch keine Zweifel, dass die Entwicklung dieser nationalen Ressource die Wettbewerbsfähigkeit des britischen Gasmarktes fördern und die Energieversorgungssicherheit, die Zahlungsbilanz und die Zahl der Arbeitsplätze verbessern wird.
Im Januar forderte der britische Premierminister David Cameron, bestätigt durch die Entwicklung in den USA, die Europäische Union auf, die Schiefergaserkundung nicht mit voreiligen regulatorischen Bürden zu belasten, da Investoren sich sonst woanders umsehen würden.
„Es wird weiterhin eine umfangreiche Öl- und Gasproduktion geben, aber Europa wird trocken sein“, warnte er das Weltwirtschaftsforum.
Er forderte die EU auf, stattdessen die Chance zu nutzen.
„Ich verstehe die Bedenken vieler Bürgerinnen und Bürger“, fügte er hinzu. „Wir brauchen die richtigen Verordnungen. Die Regierungen müssen den Menschen versichern, dass die Entwicklung nur dann vorangetrieben wird, wenn Gefahren für die Umwelt ausgeschlossen werden können. Wenn die Förderung richtig angegangen wird, entstehen durch Schiefergas sogar weniger Emissionen als durch importiertes Erdgas.“
Garys Team hat die Arbeit bereits aufgenommen.
Man geht davon aus, dass es in Großbritannien riesige und ungenutzte Vorkommen an Schiefergas gibt. Die Frage ist nur, ob dieses Gas auch wirtschaftlich extrahiert werden kann. Ein Teil der Aufgaben des INEOS-Teams besteht darin, die Geologie Großbritanniens zu erforschen und die vielversprechendsten Gebiete für eine wirtschaftliche Förderung zu ermitteln. Eine wirtschaftliche Produktion von Schiefergas erfordert auch die richtigen Oberflächenbedingungen, die Verfügbarkeit des Gebiets und die erforderliche Infrastruktur.
Das Team arbeitete auch mit anderen Chemieunternehmen, energieintensiven Abnehmern und Produktionsunternehmen für die Schiefergasförderung zusammen, um herauszufinden, wie der skeptischen Öffentlichkeit am besten vermittelt werden kann, dass Schiefergas in einer sicheren und umweltverträglichen Art und Weise abgebaut werden kann.
„Das Umfeld ist momentan schwierig“, so Gary. „Die Menschen machen sich Sorgen. Wir müssen sie aufklären und ihnen die Furcht nehmen. Es wird gelegentlich sehr emotional argumentiert und nicht mit soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen oder auf Wissen beruhenden Fakten.“
INEOS hat bereits eine Strategie entwickelt, wie man die Öffentlichkeit vom realen Bedürfnis der Schiefergasförderung überzeugen kann. Sie soll in Debatten im Parlament, in den Medien und über INCH zum Tragen kommen. Weiterhin sollen unseren eigenen Beschäftigten die Vorteile vermittelt werden, in der Hoffnung, dass sie auch zu einer Verbreitung der Fakten beitragen.
„Wir müssen unbedingt klarmachen, dass die chemische und die energieintensiven Industrien in Großbritannien weiter wettbewerbsfähig bleiben müssen oder sie sonst in eine ziemlich trostlose Zukunft blicken“, warnt Gary. „Europa wird momentan mit wachsender Konkurrenz aus den USA und dem Nahen Osten konfrontiert, wo Energie- und Rohstoffpreise sehr niedrig sind. Wir müssen erklären, dass die Entwicklung unserer Schiefergasressourcen eine Möglichkeit ist, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.“
INEOS kann Schiefergas als Rohstoff oder Energiequelle für die eigenen Ethylenkracker verwenden, besitzt aber auch Gelände, Pipelines und Lagermöglichkeiten in einigen Schlüsselgebieten, die in Großbritannien erkundet werden sollen.
„All dies, verbunden mit der hervorragenden Produktionsexpertise von INEOS, der strengen Einhaltung von Sicherheitsvorgaben und den guten Beziehungen zu den Gemeinden, in denen wir tätig sind, bedeutet, dass INEOS etwas Einmaliges in diese neue Branche einbringen kann“, erklärt Gary. „INEOS kann sich schließlich dazu entscheiden, selbst nach Schiefergas zu bohren.“
INEOS hat umfangreiche externe Erfahrungen in dieses Team gebracht, die bei der Bewertung dieser aufregenden Chance helfen sollen. Tom Pickering hat mehr als zehn Jahre Erfahrungen in der Schiefergaserkundung und -produktion in Europa. Von allen Bewerbern hat er sich zudem um die meisten britischen Festlandlizenzen bemüht und diese auch erhalten. Gareth Beamish verfügt über 30 Jahre Erfahrungen als Geowissenschaftler bei großen Unternehmen wie Exxon Mobil und der BG Group. Über fünf Jahre konnte er weltweit Erfahrungen in der globalen Schiefergaserkundung sammeln.
„Wir wollen herausfinden, was für uns Sinn macht“, so Gary. „Wir sind auf jeden Fall große Unterstützer der Schiefergasproduktion. Ob wir nun lediglich als Befürworter auftreten oder direkt in die Erkundung und Produktion eingebunden werden oder uns für eine Art Kompromissmodell entscheiden, hängt davon ab, wie die Bewertung der Vorteile und Risiken unserer Möglichkeiten verläuft. Letztendlich hängt es auch davon ab, wie INEOS Capital diese Vorteile und Risiken bewertet und wie sie die Ressourcen des Unternehmens einsetzen möchten.“
Sollte es in Großbritannien tatsächlich gelingen, die riesigen Schiefergasressourcen zu nutzen, könnte dies, so Gary, einen Dominoeffekt für ganz Europa hervorrufen.
„Wir können natürlich nicht sicher sein, aber wir glauben fest daran, dass die positive Entwicklung in einem europäischen Land Einfluss auf den Rest Europas nehmen wird“, fügt er hinzu „Die Menschen suchen nach sicheren, wettbewerbsfähigen und umweltverträglichen Energieoptionen und wir glauben daran, dass wir, sobald alle Tatsachen zur Schiefergasproduktion bekannt sind, mit ihrer Unterstützung rechnen können.“