2013 jährt sich zum 60. Mal die Erstbesteigung des Mount Everest durch Edmund Hillary und den Sherpa Tenzing Norgay im Jahre 1953. 1998 hörte ein zwölfjähriger Pfadfinder einen Vortrag über den Everest. Dieser Junge war Rhys Jones, der an seinem 20. Geburtstag, den Everest bestieg und damit den Rekord aufstellte, als jüngster Mensch die höchsten Berge auf den sieben Kontinenten der Erde bezwungen zu haben.
Der Mount Everest ist nichts für schwache Nerven.
Es ist ein widriger, gnadenloser Ort. Ein Ort, an dem sich in fünf Meilen Höhe (ca. 8.050 Meter) der Tod in den Gesichtern der gefrorenen Körper lebt, die den Weg zur Spitze säumen.
Die Bergsteigerinnen und Bergsteiger erwartet in der Todeszone Sauerstoffmangel – und damit die Lähmung aller Sinne – Lawinen, Steinschlag, Winde mit der Kraft von Hurrikanen, vorrückende Gletscher, Schneestürme, Erfrierungen, Lungenentzündungen, Erschöpfung und eiskalte Temperaturen.
„Sie wird Todeszone genannt und ist noch schlimmer als sie klingt”, erzählt der Bergsteiger Rhys Jones. „Diese endlosen Schritte nach oben in dünner Luft fühlen sich an, als würde man in Klebstoff schwimmen. Die Zelte sind innen vereist. Es ist furchtbar. Man hat keinen Appetit, man kann sich nicht richtig ausruhen und es ist brutal kalt.“
Doch wer wagt, gewinnt. Für Rhys Jones, der seit seinem zwölften Lebensjahr davon geträumt hatte, auf den höchsten Berg der Welt zu klettern, lohnte sich aller Schmerz, um fünf Minuten auf dem 8.850 Meter hohen Gipfel zu verbringen.
„Ich hörte in einem Vortrag vom Mount Everest, als ich Pfadfinder war“, sagt er. „Bis dahin hatte ich von Bergen keine Ahnung. Aber ich beschloss, eines Tages den Everest zu besteigen und alles andere ergab sich einfach, während ich auf dieses Ziel hinarbeitete.“
Das Ziel war nicht nur die Besteigung des Everest, sondern der Jüngste zu sein, der die sieben höchsten Gipfel auf allen sieben Kontinenten bezwungen hat.
Mount Everest sollte der letzte der sieben sein, aber dazu musste er erst einmal 30.000 GBP auftreiben.
„Ich schrieb im wahrsten Sinne des Wortes Hunderte von Briefen an alle möglichen Sponsoren, aber hatte nicht viel Glück“, sagt er. „Doch dann kam INEOS und damit die Garantie, dass ich die Besteigung durchführen konnte.“
Der Vorstandsvorsitzende von INEOS, Jim Ratcliffe, willigte ein, Rhys zu treffen, um über die geplante Expedition zu sprechen.
„Als ich ihn traf, wusste ich nicht, was mich erwartete“, sagt Rhys. „Ich erinnere mich daran, dass ich mit meinem alten Auto hinfuhr und einen Anzug trug. Er kam in Jeans und T-Shirt.“
Die beiden unterhielten sich eine Stunde lang.
„Ich hatte den Eindruck, dass ihm nichts entging, und er schien die ganze Zeit konzentriert zuzuhören, als wir uns unterhielten, was beeindruckend war, wenn man bedenkt, was sonst noch so los war“, so Rhys weiter.
„Es zeigte auch, dass er gute Leute haben musste, die für ihn arbeiteten, sodass er so viel Zeit unserem Gespräch widmen konnte.“
Dieses Gespräch unter vier Augen führte dazu, dass INEOS ein Sponsoring in Höhe von 30.000 GBP zusagte.
„Das änderte alles“, sagt Rhys.
Mit dem Geld in der Tasche und einer INEOS-Flagge, die er auf den Gipfel stecken wollte, konnte sich Rhys jetzt auf die Reise konzentrieren, die vor ihm lag.
Im Mai 2006 verließen Rhys, drei weitere Bergsteiger, zwei Bergführer und fünf Sherpas das Everest-Basislager.
„Wir waren bei der Gipfelbesteigung das erste Team des Jahres, daher mussten wir überall Seile befestigen und als Erste die Spur im Schnee ziehen, was uns auf die Probe stellte“, sagt er.
„Bis zum heutigen Tag ist diese Erfahrung für mich ein guter Maßstab dafür, ob etwas schwierig ist oder nicht.“
Angst ließ das Team hierbei allerdings hinter sich.
„Wenn man erfolgreich sein will, darf man keine Angst haben“, meint Rhys.
„Natürlich hatte ich Sorgen. Manchmal war es sehr knapp. Zweimal wurde ich beinahe von einer Lawine getroffen. Auf dem Everest kommen Menschen um, aber ich erinnere mich daran, dass ich das alles objektiv einschätzte und Dinge nur anhand von ‚getroffen‘ oder ‚nicht getroffen‘ beurteilte. So lange ich ‚nicht getroffen‘ war, würde ich weitermachen. Ich hoffte einfach auf Glück mit dem Wetter und darauf, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.“
Wäre seine sorgfältige Planung nicht aufgegangen – und auf dem Everest können Pläne im atemberaubenden Tempo zunichte gemacht werden – hätte Rhys den Rückweg angetreten – egal, wie nah er dem Gipfel gewesen wäre.
„Kein Berg der Welt ist es wert, meine Finger oder Zehen zu verlieren oder ums Leben zu kommen“, sagt er. „Ich würde es einfach noch einmal versuchen. Der Berg bleibt. Der Everest scheint leider kluge Menschen dazu zu bringen, dumme Risiken einzugehen.“
Auf dem Everest haben bisher mehr als 200 Menschen ihr Leben gelassen, etwa 150 Tote wurden nie geborgen.
„Man muss eine unheimliche mentale Stärke besitzen, um den Everest zu besteigen. Das hält einen davon ab aufzugeben, es sei denn, es ist zu gefährlich“, sagt er. „Wenn es das nicht ist, muss man einfach beharrlich sein und weitermachen.“
Rhys erreichte am 17. Mai 2006 um drei Uhr nachmittags den Wolken verhangenen Gipfel nach einer letzten sechzehnstündigen Etappe.
Die Erleichterung war groß.
„Ich war unendlich froh, dass ich den Gipfel erreicht hatte, aber ich wusste auch genau, dass es spät war und ich einen langen Abstieg vor mir hatte“, sagt er. „Ich entrollte nur die INEOS-Flagge, nahm meine Sauerstoffmaske ab, machte ein paar Fotos, sagte ‚Dank sei Gott‘ und trat den Abstieg an.“
Heute führt Rhys sein eigenes Unternehmen RJ7 Expeditions, eine Firma mit Büros auf vier Kontinenten, die anderen hilft, die Reise ihres Lebens durchzuführen.
„Wir spielen nicht in derselben Liga wie INEOS, aber wir wachsen ganz energisch“, meint er lächelnd.
Was er beim Klettern gelernt hat, hilft ihm bei der Gestaltung seines Unternehmens.
„Es gibt viele Parallelen“, sagt er. „In einer hochriskanten Umgebung ein Team zu führen, Ziele zu erreichen und ehrgeizig zu sein, gilt für beide.“
Er meint auch, dass Risiken im Leben notwendig seien.
„Eine Portion Risiko gehört dazu, wenn man etwas erreichen will“, sagt er.
„Die Risiken beim Bergsteigen sind manchmal eine Frage von Leben und Tod; die Risiken, die ich in der Firma eingehe, sind eher finanzieller Art. Aber ich gehe ähnlich damit um, konzentriere mich auf die Fakten, die Wahrscheinlichkeiten und die Ergebnisse und treffe dann eine Entscheidung.“
Er glaubt, dass viele Unternehmen heute scheitern, weil sie schlecht geführt werden und keine Schwerpunkte setzen.
„Ein wenig motiviertes Team ist so, als würde man das Geld zum Fenster hinaus werfen, doch mit wenig Aufwand kann man schnell etwas ändern“, sagt er.
„Keine Schwerpunkte zu haben kann in eine Falle führen, da viele Unternehmen versuchen, alle Aufträge anzunehmen, die sie im gegenwärtigen Klima kriegen können, statt sich darauf zu konzentrieren, worin sie gut sind.“
Rhys Antriebskraft ist seine Leidenschaft, und das wird so bleiben.
„In all den Jahren des Bergsteigens habe ich nie den Eindruck gehabt, einen Berg besiegt zu haben“, sagt er. „Ich schätze mich einfach glücklich, den Aufstieg genossen zu haben und ein paar Minuten lang auf dem Gipfel sein zu können.“