INEOS’ großes Ziel in diesem Jahr war die Refinanzierung der verbleibenden Darlehen zum passenden Zeitpunkt. Mit der Nutzung günstiger Gelegenheiten im Hinterkopf war INEOS der Ansicht, dass der Zeitpunkt im April gekommen war. Und andere schlossen sich dieser Meinung an.
INEOS konnte im April in der Finanzwelt Geschichte schreiben
Gestützt von der Reaktion der Märkte auf das Angebot an mögliche Investoren, ging INEOS Ende Januar wie geplant zur Refinanzierung der verbleibenden Darlehen über und erreichte ein „Covenant-lite Loan“, d. h. ein Darlehen unter erleichterten Auflagen, im nie gesehenen Umfang für ein europäisches Unternehmen und das weltweit größte seit Beginn der Kreditkrise im Jahre 2008.
„Das war eine wirklich beeindruckende Leistung des Unternehmens”, erklärt Michael Moravec, Leiter des europäischen High-Yield Syndicate und Mitleiter im Bereich EMEA-Fremdfinanzierungen bei Barclays, den globalen Koordinatoren der Finanzierung neben JPMorgan.
„Alle kurzfristigen Fälligkeiten von INEOS wurden eliminiert, das Refinanzierungsrisiko wurde aus dem Spiel genommen und die gesamte Verschuldungsstruktur wurde von Maintenance Covenants zu einfachen Incurrence Covenants umgewandelt.”
Im Ergebnis dessen, fügt er hinzu, erhält INEOS mehr Freiheiten und eine größere Flexibilität bei seinen Geschäftsaktivitäten, da Maintenance Covenants Unternehmen stärker einschränken, und zwar speziell solche, die in stark konjunkturanfälligen Sektoren wie dem Chemiesektor tätig sind.
„Die Unternehmensleitung kann sich jetzt wieder darauf konzentrieren, was sie am besten kann: Ein Chemieunternehmen leiten”, fügt er hinzu.
An anderer Stelle war die Reaktion auf das Refinanzierungspaket gleichermaßen positiv.
Euroweek, die führende Wochenzeitung für die globalen Kapitalmärkte, berichtete, dass INEOS sein Können als Kreditnehmer unter Beweis gestellt hat.
„INEOS schaffte es, im letzten Moment dahin zu wechseln, wo die Preise am schärfsten kalkuliert wurden”, schrieb Oliver West, Journalist im Bereich Fremdfinanzierung, in einem Ende April veröffentlichten Bericht.
Ein wichtiger Punkt war jedoch auch das Timing, wie INEOS Finance Director John Reece vorhergesagt hatte, als er im März mit INCH sprach, nachdem INEOS die Refinanzierung eines großen Teils seiner Darlehen im Januar erfolgreich abgeschlossen hatte – ein Jahr bevor dies erforderlich war.
„Man muss die Kreditmärkte zum Vorteil nutzen, wenn sich Gelegenheit dazu gibt, denn sie sind sehr zyklisch ausgerichtet”, erklärte er.
Malcolm Stewart, Partner bei Ondra Partners, einem langjährigen Berater von INEOS, sagte, dass das Timing perfekt war.
„Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen”, fügte er hinzu.
„Der ursprüngliche Abschluss wurde Ende Januar so gut auf den Märkten aufgenommen, dass INEOS sehr schnell auf die Märkte zurückkehren konnte.”
INEOS wusste auch, dass die von Märkten gebotene Gelegenheit nicht sehr lang erhalten bleiben würde – und das Management behielt Recht.
Innerhalb eines Monats stiegen die Zinssätze wieder um 1 Prozent an.
„Wenn es um eine Refinanzierungstransaktion über 3,8 Milliarden Dollar geht, steht eine Menge Geld auf dem Spiel, das an anderer Stelle im Unternehmen investiert werden könnte”, merkt Malcolm an, der den Abschluss vom April als „glücklichen Höhepunkt“ von vier Jahren Arbeit bezeichnete.
Das Wiederaufleben der „Covenant-Lite Loans“ ist das Ergebnis der Suche nach ‘Erträgen’ im Bereich Unternehmensverschuldung. In einer Zeit, in der die Zinssätze auf einem absoluten Tiefststand sind, möchten Investoren mehr für ihr Geld und Kreditnehmer mehr Flexibilität, da die globale Wirtschaft nur schwer vorhersagbar ist. Covenant-Lite Loans, die Unternehmen einige dieser Einschränkungen nehmen, bieten beides.
Im April veranstaltete die INEOS Group Investorentage in London und New York. CEOs von jedem Geschäftsbereich vermittelten detaillierte Informationen über Leistung und Märkte, um Investoren die Möglichkeit zu geben, die Geschäftsbereiche voll zu verstehen. Angestrebt waren die Refinanzierung der älteren Kreditfazilitäten und die Auswahl der besten Bedingungen. Um dies zu erreichen, wurden die Vorteile der konkurrierenden Nachfrage von US- und Euro- Investoren in Hochzinsanleihen und -darlehen genutzt.
„Das Unternehmen trat zunächst mit 1,5 Milliarden Dollar in Darlehen und 2,2 Milliarden Dollar in Anleihen hervor”, berichtet Malcolm.
„Allerdings kannte jeder Investor weltweit die Stärke und Tiefe des US-Marktes für Hochzinsanleihen und dass dieser die gesamte Refinanzierung hätte erfassen können.
Erste Anzeichen einer Hochzinsanleihe waren damit ein guter Anreiz für Darlehensinvestoren, umfangreiche Bestellungen mit engen Laufzeiten zu tätigen.”
Dann überraschte INEOS den Markt mit einem schlauen Schachzug, und zwar kurz vor Ende. Die Euro- Hochzinsanleihe wurde vollständig fallen gelassen und die US-Hochzinsanleihe auf nur 775 Millionen Dollar reduziert.
Stattdessen kam ein ‘Convenant-lite’ -finanziertes Darlehen mit sechsjähriger Laufzeit und einem Wert von 2 Milliarden Dollar hervor, ein ‘Convenant-Lite Loan’ mit einer Laufzeit von drei Jahren und einem Wert von 375 Millionen Dollar sowie – und das war die größte Überraschung – ein ‘Convenant-lite’ -finanziertes Darlehen mit sechsjähriger Laufzeit und einem Wert von 500 Millionen Dollar.
Und es gab weitere positive Nachrichten.
Die erfolgreiche Refinanzierung von INEOS verbesserte deren Kreditwürdigkeit.
Standard & Poor’s steigerten sie von B auf B mit „positiven“ Aussichten.
„Dieser Bewertungsschritt spiegelt unsere Ansicht über die solide Betriebsleistung von INEOS in den letzten Quartalen wider”, erklärt Oliver Kroemker, Associate Director und Credit Analyst bei Standard & Poor’s.
Moody’s Investors Service änderte ebenfalls seine Prognose für INEOS auf positiv. Sie erklärten, dass die Refinanzierung INEOS einen größeren finanziellen Spielraum geben würde, da die Einschränkungen der Verpflichtungen aufgehoben wurden.
Der größte Teil der Darlehen von INEOS stammt aus dem Jahr 2005, als mehrere Kredite aufgenommen wurden, um Innovene von BP zu kaufen. Viele dieser Kredite haben jetzt ihre Fälligkeit erreicht.
John berichtet, dass sich INEOS für die Finanzierung auch auf dem Equity-Markt hätte umsehen können und nicht auf dem Schuldenmarkt. Darauf verzichteten sie allerdings.
„Der Unterschied ist, dass der eine INEOS eine Kontrolle ermöglicht; der andere allerdings nicht”, fügt er hinzu.
Malcolm merkt an, dass er INEOS’ Zögern verstehen konnte, weiterhin ein Unternehmen in Privatbesitz bleiben zu wollen.
„Public Equity ist nichts für INEOS”, fügt er hinzu.
„Wenn man der Öffentlichkeit Anteile übergibt, übergibt man ihnen auch Stimmrechte und Rechte darin, wie ein Unternehmen geführt wird.
So, wie es momentan aussieht, kann sich INEOS selbst um seine Angelegenheiten kümmern, um die Höhen und Tiefen der Konjunktur in der Chemiebranche zu überstehen, und zwar so, wie es dem Unternehmen und seinen langfristigen Bedürfnissen am besten passt. Und ohne sich wegen der kurzfristigen Bedürfnisse der Anteilseigner zu sorgen.”
Geschäftsaktivitäten der INEOS Group im zweiten Quartal
Nach einem beeindruckenden Start ins neue Jahr musste INEOS einen Abschwung im zweiten Quartal 2012 hinnehmen.
Die Gruppe meldete, dass ihre Einnahmen (EBITDA) im zweiten Quartal 308 Millionen Euro betrugen und damit 576 Millionen Euro (quartalsweise erfasst) aus demselben Quartal im letzten Jahr gegenüberstanden. Sie lagen zudem 157 Euro unter den Ergebnissen des ersten Quartals dieses Jahres.
Finance Director John Reece dazu: „INEOS erlebte einen ziemlich starken Monat April, allerdings beeinträchtigten die Auswirkungen der rapide sinkenden Ölpreise – der Preis fiel von 123 Dollar/Barrel auf 94 Dollar/Barrel in dem Quartal – die historischen Kostenergebnisse der Monate Mai und Juni.“
Das heißt, im zweiten Quartal wurden Verluste von ca. 141 Millionen Euro bei nicht zahlungswirksamen Beständen verzeichnet, und zwar vorwiegend bei Olefins & Polymers.
Chemical Intermediates meldete ein EBITDA von 119 Millionen Euro, das einem Wert von 267 Millionen Euro aus dem zweiten Quartal im letzten Jahr und 233 Millionen Euro aus dem ersten Quartal gegenübersteht. Geringere Rohstoffpreise gekoppelt mit der allgemeinen Unsicherheit in der Makroökonomie haben das Verhalten im Bereich der chemischen Zwischenprodukte beeinträchtigt.
INEOS Phenol gehörte zu denen, die eine bessere Leistung erzielten. Der anstrengende Revisionsplan in der Industrie hatte große Auswirkungen von Seiten der Lieferkette, was wiederum zu stabilen Margen und Volumina führte.
INEOS Oligomers erfuhr zudem eine konstante Nachfrage und solide Margen in allen Sektoren.
Die Volumina und Margen von INEOS Nitriles blieben relativ schwach, während die Nachfrage nach Acrylfasern und ABS in Fernost und Europa eher schwach war.
Die Leistung von INEOS Oxide war dagegen gemischt. Die Nachfrage nach Ethylenoxid in Europa bliebt stabil, wurde jedoch – speziell in Asien – durch eine geringere Nachfrage nach Glykolen getrübt.
INEOS Olefins & Polymers North America meldete ein EBITDA von 132 Millionen Euro, das einem Wert von 163 Millionen Euro aus demselben Quartal im letzten Jahr und 175 Millionen Euro aus dem ersten Quartal gegenübersteht. Das Unternehmen konnte weiterhin die Vorteile des günstigen Erdgases nutzen, d. h. die guten Margen konnten erhalten werden. Somit wurde ein neuer Höchstwert in der Quartalsleistung erzielt (vor Bestandsverlusten).
Das amerikanische Cracker-Geschäft konnte durch geringe Rohstoffpreise weiter gestärkt werden und förderte dadurch die Betriebsmargen der Cracker im Laufe des Quartals. Die Nachfrage nach Polymer blieb insgesamt robust und der Export von Derivaten machte die schwächere Binnennachfrage wieder wett, da Gas-Cracker global äußerst wettbewerbsfähig bleiben. An einem der Cracker in Chocolate Bayou wurde eine geplante Revision durchgeführt, die erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
INEOS Olefins & Polymers Europe meldete ein EBITDA von 57 Millionen Euro, das einem Wert von 146 Millionen Euro aus demselben Quartal im letzten Jahr und 57 Millionen Euro aus dem ersten Quartal gegenübersteht. Die Nachfrage nach Olefinen blieb mäßig, allerdings entwickelte sich Butadien weiterhin sehr gut. Der große Rückgang der Naphtha-Preise führte zu gesunden Cracker- Margen im gesamten zweiten Quartal. Allerdings nahmen die Volumina ab, nachdem einige Kunden ihre Bestände abbauten. Der Cracker in Rafnes (Norwegen) erfuhr eine umfassende geplante Revision im zweiten Quartal. Die Nachfrage nach Polymeren war geschwächt, da Kunden von einem weiteren Preisrückgang ausgingen, nachdem die Preise für Erdöl und Naphtha fielen. Die Schwäche in den Polymerrohstoffmärkten führte zudem zu geringen Margen.
Im Mai 2012 gab die Gruppe erfolgreich Senior Secured Notes im Wert von 775 Millionen Dollar heraus, die 2020 fällig werden, und schloss einen neuen Senior Secured Term Loan im Wert von 3.025 Millionen Dollar. Der Nettoerlös wurde für die Ablösung der ausstehenden Verschuldung im Rahmen des Senior Facilities Agreement verwendet sowie zur Zahlung der aufgelaufenen PIK-Zinsen und der verbundenen Emissionskosten.
John gab an, dass sich die INEOS Group auch weiterhin auf die Verwaltung des Barkapitals und die Liquidität konzentrieren werde.
Die Nettoverschuldung von INEOS lag Ende Juni 2012 bei 6,55 Milliarden Euro. Das Barguthaben betrug am Ende des zweiten Quartals 1.247 Millionen Euro und die Verfügbarkeit ungenutzter Kapitalfazilitäten lag bei 200 Millionen Euro. Der Nettoverschuldungsgrad war ca. 4,9 Mal so groß wie Ende Juni 2012.