Andy Currie ist seit 13 Jahren Director von INEOS. Als Teil des INEOS Capital-Teams leistete er einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung und Umsetzung der erfolgreichen Wachstumsstrategie des Unternehmens. Hier spricht er mit Tom Crotty über INEOS, dessen ausgewogenes Portfolio von Geschäftsbereichen, künftiges Wachstum und warum das Unternehmen den vollen Auswirkungen der Krise in Europa widerstehen konnte.
Tom: Wenn man das Wachstum von INEOS betrachtet, könnte man denken, es war opportunistisch. Kann man das so sagen?
Andy: Historisch gesehen denke ich, dass man das durchaus so sagen kann. Wie Sie wissen, sahen wir uns in unserer Anfangszeit, speziell in den ersten fünf bis 10 Jahren von INEOS, ständig nach verwaisten Anlagen von großen Blue Chip-Akteuren um, die verfügbar, ungeliebt und wahrscheinlich nicht ausreichend verwaltet waren. Dies entwickelte sich zu unserem Zielbereich. Seit der großen Übernahme von Innovene im Dezember 2005 haben sich die Zeiten geändert. Wir mussten ziemlich schwierige Marktbedingungen überstehen, konzentrieren uns heutzutage allerdings eher auf unsere tagtäglichen Geschäftsaktivitäten, darauf, diese effizienter zu gestalten, und sicherzustellen, dass unser Geschäft durch eine stabile Finanzierung für die Zukunft gerüstet ist – mit gelegentlichen Übernahmen. Die Übernahmen waren vorwiegend strategischer Art. Seal Sands ist ein passendes Beispiel dafür: Wir konnten im Wesentlichen eine Anlage übernehmen, die zu kämpfen hatte, änderten ihre Kostenbasis, verbesserten ihre Effizienz und gestalteten sie vollständig um, und zwar mit der gesamten Fachkenntnis, die in unserer Unternehmensgruppe verfügbar ist. Ein neueres Beispiel ist die Übernahme des ChlorVinyls-Geschäftsbereichs von Tessenderlo durch Kerling, der gerade dieselben Schritte durchläuft.
Tom: Was sind die speziellen Vorteile dieser Vorgehensweise?
Andy: Der größte Vorteil ist, dass wir die Fachkenntnis im Haus haben. Wir haben viele Beschäftigte, die über eine große Bandbreite an Fertigkeiten verfügen und diese Bereiche effizient führen können. Im Fall von INEOS Nitriles sind wir der weltweit größte Hersteller. Unsere Technologie ist überall auf der Welt in unzähligen Anlagen zu finden, d. h. wir verfügen über umfangreiche Kernexpertise in Anlagen und Technologie und können dies einfließen lassen, wenn es darum geht, die Anlagen effizient und äußerst effektiv zu betreiben.
Tom: Wie steht es um die Portfolioprodukte? Was leisten sie für uns?
Andy: Wir sind im Grunde genommen in vielen Sektoren der Chemiebranche vertreten. Der wichtigste Vorteil davon ist, dass es uns eine gewisse Stabilität bei den Einkünften und beim Umsatz bringt – speziell in schwierigen Zeiten. Da wir im Bereich Wirtschaftsgüter tätig sind, müssen wir unweigerlich mit ziemlich intensiven Konjunkturzyklen umgehen. Wenn wir also über eine große Bandbreite an Unternehmen und Anwendungen in verschiedenen Endmärkten verfügen, bietet uns dies eine gewisse Sicherheit in schlechten Zeiten. Das haben wir bereits miterlebt. Der einschneidende Wirtschaftsabschwung 2008/2009 – der in vielerlei Hinsicht fast ein Zusammenbruch war – stellte die ultimative Prüfung dieses Ansatzes dar. Zu dieser Zeit erzielten wir nahezu ein Viertel unseres Umsatzes im Bereich Verbrauchsgüter. Dies war sehr nützlich, denn die Menschen waren immer auf Lebensmittel angewiesen und diese mussten verpackt werden. An dieser Stelle kamen wir wieder ins Spiel, wie auch bei anderen Produkten, die in der Pharmaindustrie, in der Kosmetik oder sogar im Bereich Reinigungsmittel benötigt wurden.
Tom: Wir haben also ein wunderbar ausgeglichenes Portfolio an Produkten, aber das kann man über unsere geografische Ausgewogenheit nicht behaupten?
Andy: Nein. Das stimmt wohl. Allerdings müssen wir auch unsere letzten Errungenschaften betrachten. Unsere Rentabilität hat sich immer stärker dahingehend entwickelt, dass wir ein Verhältnis 50:50 zwischen Nordamerika und Europa erreicht haben. Vor etwa sechs Jahren, kurz nach der Innovene- Transaktion, wurden noch etwa 70 Prozent in Europa erzielt. Wir haben weltweit noch keine ideale Ausgewogenheit erreicht, sind allerdings auf dem richtigen Weg. Die USA stellen in puncto Schiefergas zudem gerade einen sehr interessanten Markt für uns dar. Wir arbeiten jedoch auch verstärkt daran, unser Engagement in Asien zu verstärken und unsere Einnahmen in dieser Region zu erhöhen. Genau das ist ein Teil der grundlegenden Strategie, um uns weiterzuentwickeln.
Tom: Was sind die wichtigsten strategischen Herausforderungen für die Entwicklungsstrategie von INEOS?
Andy: Eine Herausforderung ist die Reduzierung unserer Verschuldung. Dabei haben wir große Fortschritte erzielt. Die Refinanzierung ist nun glücklicherweise abgeschlossen. Also besteht unsere nächste Aufgabe darin, am Portfolio zu arbeiten, unsere Einnahmen zu verwenden und die Verschuldung und Fremdkapitalaufnahme gleichzeitig auf einem niedrigen Niveau zu halten. Parallel dazu müssen wir nach Möglichkeiten suchen, unser Wachstum zu finanzieren.
Tom: Wie sieht es mit dem Wachstum aus? Wie wird INEOS Ihrer Meinung nach künftig wachsen?
Andy: Neben den kleinen Möglichkeiten, die sich aus Übernahmen ergeben, liegt unsere wichtigste Stärke derzeit darin, dass wir den US Golf und den US- Markt genau beobachten, um zu erkennen, wie wir das neueste Auftreten von Schiefergas zu unserem Vorteil nutzen können. Zudem erleben wir derzeit ein großes Wiedererwachen der petrochemischen Industrie an der Golfküste und dass sehr kostengünstiges Ethan als Rohstoff auf den Markt kommt. Wir haben dort bereits eine gute Ausgangsposition, und eine unserer Herausforderungen wird darin bestehen, herauszufinden, wie INEOS dies vorteilhaft nutzen kann. Darauf wird das Hauptaugenmerk für Wachstum liegen. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt wird Asien sein, speziell China. Unser Phenol-Projekt ist bereits hinlänglich bekannt, dem werden allerdings noch weitere folgen. Dies wird sich auf den Bereich Zwischenprodukte beziehen, wo wir sehr gute Marktpositionen haben. Im Bereich Technologie sind wir ebenso sehr gut aufgestellt, können China also tatsächlich etwas bieten, und das ist überaus wichtig.
Tom: Wie schwierig ist es, diese Ergebnisse zu erzielen, wenn Sie innerhalb der Einschränkungen von Joint Ventures arbeiten müssen?
Andy: Joint Ventures bringen zweifellos gewisse Komplikationen mit sich. Mit zwei Gesellschaftergruppen ist alles – trotz guter Abstimmung – viel komplexer. Man muss daran glauben, dass die Vorteile schwerer wiegen als die Nachteile, die damit verbunden sind. Wenn wir unsere großen Joint Ventures betrachten, so haben wir im Raffineriebereich einen äußerst wichtigen Partner: Eines der größten Unternehmen weltweit arbeitet jetzt mit uns in der Raffineriebranche zusammen, die heutzutage bekanntermaßen mit großen Herausforderungen zu kämpfen hat. Es bringt seine vorgelagerten Fähigkeiten im Bereich Beschaffung mit ein, seine finanzielle Stärke und sein extrem großes Handelspotenzial in der gesamten Branche. In diesem Sinne passen wir also sehr gut zusammen. Sehen wir uns Styrolution an. Hier haben wir zwei Gruppen von Bereichen zusammengefügt und das größte Styren-Geschäft weltweit geschaffen. Uns stehen umfangreiche Synergiemöglichkeiten zur Verfügung, mit denen wir das Geschäft vereinfachen, Kosten reduzieren und das Beste beider Welten übernehmen können. Joint Ventures funktionieren. Sie sind nicht so geradlinig wie hundertprozentiges Eigentum. Allerdings wissen wir in Verbindung mit der Finanzierung und Möglichkeiten ganz genau, dass wir diese Joint Ventures schließen und viele Vorteile aus ihnen ableiten können.
Tom: Zu guter Letzt ein Blick auf INEOS Capital: Jim Ratcliffe ist Fan von Manchester United, Jim Dawson von Wolverhampton und John Reece von Sunderland. Für wen schlägt Ihr Herz?
Andy: Nun, ich muss sagen, ich habe meine Sympathien bisher eher für mich behalten. Heute kann ich es ja sagen, auch wenn ich mich damit ein wenig aus dem Fenster lehne: Es ist Sheffield Wednesday, die nun im nächsten Jahr in der ruhmreichen Championship spielen werden. Ja, sie sind etwas abgeschlagen, aber auf dem Weg der Besserung.