Norwegen profitiert heute davon, Frauen aktiv zu ermutigen, ein Hochschulstudium in den Bereichen Ingenieur- und Naturwissenschaften aufzunehmen.
DIE INDUSTRIE in Norwegen profitiert von einer Gesellschaft, die seit Langem an die Bedeutung von Frauen in traditionell von Männern dominierten Berufen glaubt. Während andere Länder Mädchen und junge Frauen möglicherweise von technischen Berufen ferngehalten haben, wurden an norwegischen Schulen Mädchen aktiv dazu ermutigt, Ingenieur- und Naturwissenschaften zu studieren, da vielfältige Denkweisen und Ideen am Arbeitsplatz erwünscht sind.
Die Anlage von INEOS in Rafnes, in der heute 36 % der sogenannten Shift Operators (der im Schichtbetrieb tätigen Anlagenbedienende) Frauen sind, ist Beweis für die Vorteile, die die Zusammenarbeit von Männern und Frauen in der gleichen beruflichen Position bringt.
„Das Unternehmen profitiert davon, auch wenn es schwer zu erklären ist, auf welche Weise es das tut“, so Eirik Gusfre, Operations Manager am Standort Rafnes in Norwegen.
„Auf technischer Seite kann man keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen feststellen, aber sehr wohl im Arbeitsumfeld. Man sieht, wie gut unsere Teams zusammenarbeiten.“
Heidi Faukald, die seit 33 Jahren für das INEOS-Unternehmen Bamble AS am Standort Rafnes arbeitet, und ihre Kollegin Kristi Falck stimmen da absolut zu.
Beide glauben, dass Frauen das Arbeitsumfeld bei INEOS zum Positiven verändert haben.
„Es fällt mir schwer zu sagen, dass Frauen nicht die Ellenbogenmentalität der Männer haben“, so Faukald, Logistics Manager. „Ich fürchte mich fast davor, das zu behaupten. Aber vielleicht ist es manchmal einfacher, auf Frauen zuzugehen. Vielleicht sind sie ein bisschen weicher und persönlicher.“
Das Arbeitsumfeld ist irgendwie nicht nur diverser, sondern auch dynamischer geworden.
„Frauen sehen die Dinge aus einer anderen Perspektive“, so Falck, Plant Manager. „Wir denken anders und haben eine andere Sichtweise auf ein Problem. Und das kann zur bestmöglichen Lösung führen.“
Was Frauen in Norwegen auch geholfen hat, war die geschlechtsunabhängige Elternzeit für beide Elternteile.
„Eltern haben Anspruch auf 49 Wochen Elternzeit, von denen mindestens 15 Wochen für jeden Elternteil reserviert sind“, so Wenche Jansen, die vor 30 Jahren am Standort Rafnes als Operator begonnen hat und heute als HR Consultant tätig ist. „Der Rest kann ganz nach Wunsch der Eltern aufgeteilt werden.“
Infolgedessen werden Frauen in Unternehmen weniger diskriminiert, weil es zwischen der Einstellung eines Mannes oder einer Frau kaum Unterschiede gibt, wenn Familienplanung ein Thema ist.
„Wenn wir neues Bedienpersonal rekrutieren, ist uns das Geschlecht egal“, so Eirik Gusfre. „Wir möchten einfach nur die Besten, und Frauen sind genauso gut wie Männer.“
Norwegens Ansatz ebnet den Weg nicht nur für die Standorte von INEOS, sondern für die gesamte Petrochemiebranche.
„In Norwegen gibt es starke Bestrebungen in Richtung Gleichstellung, sodass wir dieselben Möglichkeiten erhalten“, erklärt Falck.
Und die Frauen bei INEOS ergreifen diese Möglichkeiten.
Maren Jakobsen, 31-jährige Mutter von zwei Kindern, arbeitet als Prozessbedienerin am Standort Rafnes.
Als sie schwanger wurde, durfte sie wegen der möglichen Gefahren wie Lärm und Vibration nicht mehr nachts oder draußen in der Anlage arbeiten, also steuerte sie die Anlage einfach vom Kontrollraum aus.
„Es ist durchaus möglich, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen“, so Falck weiter. „Heidi und ich sind die besten Beispiele dafür.“
Die beiden Frauen, die an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim Ingenieurwissenschaften studiert haben, sind Teil des Managementteams.
„Mit einem Baby im Schichtbetrieb zu arbeiten ist eine Herausforderung“, räumt Falck ein. „Aber wir versuchen, den Frauen die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern, indem wir beispielsweise ihre Schichtpläne anpassen.“
Es kann allerdings auch eine Herausforderung für das Team sein, die Schichten zu bewältigen, wenn ein Mann seinen vorgeschriebenen 15-wöchigen Vaterschaftsurlaub nimmt.
„Es kann schwierig sein, aber es sorgt für mehr Gleichheit“, meint Faukald. „Diesen Preis müssen wir bezahlen, wenn wir möchten, dass die Leute Kinder bekommen – und das Land braucht Kinder.“