IM LAUFE der letzten 40 Jahre hat sich China schneller verändert als jedes andere Land der Welt. Die einst arme und isolierte Nation, die Heimat
von über 1,3 Milliarden Menschen ist, ist heute die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Im Jahr 1980 produzierte China gerade einmal 2 % der weltweiten Wirtschaftsgüter – heute beträgt die Zahl fast 30 %. Zwar verlangsamt sich Chinas Wirtschaftswachstum, aber es setzt sich dennoch fort.
„Man muss das im Verhältnis betrachten“, erklärt Tom Crotty, Kommunikationsdirektor von INEOS. „Das Wachstum liegt vielleicht gerade bei drei oder vier Prozent, aber wir, der Westen, würden dafür alles tun.“
Viele im Westen betrachten China dennoch weiterhin mit Argwohn und nehmen es aufgrund seiner Ambitionen, eine technologische und wirtschaftliche globale Supermacht zu werden, als Bedrohung wahr.
Diese Sichtweise frustriert David Thompson, der nach seiner Ernennung zum CEO von INEOS Olefins & Polymers Asia nach China gezogen ist.
„Das Leben hier ist ganz anders, als es in den westlichen Medien dargestellt wird“, sagt er. „Es ist zwar ein kommunistisches Regime, in dem die meisten Dinge gelenkt werden, aber das geschieht mit der Unterstützung der Bevölkerung, welche die damit verbundenen Vorteile sieht.“
Und es gibt für jeden eine Chance.
„Wenn man als junger Ingenieur schnell die bestmöglichen Erfahrungen sammeln möchte, dann gibt es keinen besseren Ort dafür als INEOS in China“, so Thompson. „Jeder, der in unser Unternehmen eintritt, hat die Chance, eine der technologisch fortschrittlichsten Engineering-Anlagen der Welt mit aufzubauen.“
Rund 40 % der globalen Chemieindustrie sind heute in China angesiedelt.
INEOS ist dort, ebenso wie Dow und BASF.
„Wenn man ein Big Player auf dem Weltmarkt sein will, muss man in China investieren, oder man hat keine Zukunft“, sagt Tom Crotty. „Manche Unternehmen halten sich zurück, und bestimmt halten uns einige für naiv, aber wir verfolgen einen anderen Ansatz.“
Und dieser Ansatz basiert auf Vertrauen.
„Vertrauen aufzubauen braucht Zeit“, erklärt er. „Aber wie in jeder Beziehung gilt auch hier, dass man entweder vertraut, oder es besser ganz sein lässt.“
Im Jahr 2014 wurde dieses Vertrauen auf die Probe gestellt, als INEOS das staatseigene Erdöl und Petrochemieunternehmen SINOPEC und einige
seiner verbundenen Unternehmen wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen verklagte.
Der Vorstandsvorsitzende von INEOS, Sir Jim Ratcliffe, sagte damals in einer Erklärung: „Wir möchten unsere besten Technologien nach China bringen, aber wir müssen sicher sein, dass sie geschützt sind.“
INEOS, das ansonsten hervorragende Beziehungen zu SINOPEC und China pflegte, gewann den Rechtsstreit und – so Tom Crotty – auch den Respekt von SINOPEC.
Seither haben die beiden Unternehmen ihre Beziehungen vertieft.
Im Jahr 2021 kaufte sich INEOS in Joint Ventures mit Chinas größtem Petrochemieunternehmen ein, nachdem es das globale Acetyl- und Aromatengeschäft von BP für 5 Milliarden USD übernommen hatte.
Im darauf folgenden Jahr unterzeichnete INEOS drei „Back-to-Back“-Verträge mit SINOPEC im Gesamtwert von 7 Milliarden USD.
INEOS besitzt heute einen Anteil von 50 % an zwei riesigen Petrochemiekomplexen, von denen sich einer in Shanghai und der andere in Tianjin befindet, und ist maßgeblich an zwei F&E-Instituten beteiligt.
Dank der jüngsten Joint Ventures mit SINOPEC wird die Produktion von hochdichtem Polyethylen (High-Densitiy-Polyethylen, HDPE) und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) erhöht werden, um dem Bedarf des rasant wachsenden chinesischen Binnenmarktes gerecht zu werden.
„Wir sind nicht nur in den Markt eingetreten“, erklärt David Thompson, „wir sind regelrecht darin eingetaucht. Und das bedeutet für beide Seiten eine große Investition.“
Insgesamt werden die beiden Unternehmen drei ABS-Einheiten gemeinsam betreiben, die über eine Million Kilotonnen Acrylnitril-Butadien-Styrol pro Jahr produzieren werden.
Eine der ABS-Anlagen wurde von INEOS Styrolution bereits in Ningbo errichtet. Sie ist jetzt ebenfalls Teil der Joint Ventures mit SINOPEC.
Eine zweite Anlage, in der modernste Technologien zum Einsatz kommen, wird gerade in Tianjin gebaut. Sie wird eine der effizientesten Anlagen der Welt sein.
Der Standort für die dritte ABS-Anlage, die ebenfalls die weltweit führende Technologie von INEOS einsetzen wird, ist noch nicht festgelegt.
INEOS und SINOPEC wollen außerdem eine neue Anlage zur Herstellung von hochdichtem Polyethylen in Tianjin bauen. Zwei weitere Anlagen befinden sich in der Pipeline.
„China ist wirklich ein Land, das immer weiter wächst“, so Andrea Vittone, Vice President HDPE bei INEOS SINOPEC Tianjin Petrochemicals Ltd.
„Es werden neue Städte und Infrastrukturen gebaut, und alte Rohrleitungen werden durch neue aus HDPE ersetzt.“
INEOS ist in China schon seit mehreren Jahren in irgendeiner Form aktiv.
Im Jahr 2011 begann das Unternehmen, engere Bande zu knüpfen, als es zustimmte, 50 % seines Raffineriegeschäfts im schottischen Grangemouth und im französischen Lavéra an PetroChina zu verkaufen.
„INEOS war tatsächlich schon von Anfang an an China interessiert“, sagt David Thompson.
Im Jahr 2005, als INEOS für 9 Milliarden USD die Chemieanlagen von BP erwarb – eine Transaktion, die das Geschäft von INEOS über Nacht transformierte – hoffte das Unternehmen, dass BP auch seine 50%-ige Beteiligung an SECCO verkaufen würde.
Aber obwohl INEOS als Teil dieses Deals eine Verkaufsniederlassung in Shanghai übernahm, behielt BP seinen 50-%-Anteil.
„Wir waren enttäuscht, dass wir die Beteiligung nicht bekommen haben, aber BP wollte nicht an uns verkaufen“, erinnert sich Tom Crotty.
Zwölf Jahre später verkaufte BP die Beteiligung doch noch, und zwar für 1,7 Milliarden USD an SINOPEC.
INEOS will seine Chancen in China weiter ausloten.
„Das Unternehmen als Ganzes sucht unentwegt nach neuen Gelegenheiten“, sagt David Thompson.