BELSTAFF – eine der größten britischen Traditionsmarken – wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Belstaff hat anlässlich der Hundertjahrfeier erstmals ein Buch über die Geschichte und die Anziehungskraft der Marke publiziert, in dem Dokumente, Werbeanzeigen und persönliche Zitate zu finden sind. „Es gab in der 100-jährigen Geschichte von Belstaff viele überraschende Wendungen, deshalb ist das 100-jährige Bestehen eine ziemlich beeindruckende Leistung“, kommentiert Doug Gunn, Miteigentümer von The Vintage Showroom in der Nähe der Portobello Road in London. „Es ist ein echter Meilenstein.“
INEOS, welches das ungewollte und angeschlagene Unternehmen im Jahr 2017 erwarb, hatte Belstaff stets als coole, ikonische Verbrauchermarke betrachtet, weil sie für Herausforderung und Abenteuer stand. Wie geschaffen für alle, die an die Grenzen des menschlich Möglichen gehen wollen.
Das Unternehmen kaufte die Marke von der italienischen JAB Luxury GmbH zu einem Zeitpunkt, als es 25 Millionen GBP Verlust pro Jahr verbuchte.
Im Laufe der Zeit wurde zunehmend deutlich, dass INEOS, wenn es das Unternehmen, wie schon in vielen anderen Fällen zuvor, wieder auf Vordermann bringen wollte, jemanden brauchte, der auch in Krisenzeiten einen kühlen Kopf bewahrt.
Und das war niemand anderes als Fran Millar – eine Frau, die zwar nicht aus der Modebranche kommt, dafür jedoch Gründungsmitglied eines der erfolgreichsten Radsportteams der Geschichte war.
„Außer dass ich Kleidung kaufte, hatte ich keine Ahnung von der Modebranche“, gibt sie zu. „Aber ich glaubte an Belstaff als Marke, und das tue ich heute noch. Eine unglaubliche Marke mit einer unglaublichen Geschichte und einem fantastischen Produkt.“
Seit sie im Jahr 2020 mitten in der COVID-Pandemie zur CEO von INEOS Belstaff ernannt wurde, hat sie das Geschäft neu ausgerichtet und dem britischen Unternehmen, das stolz auf seine prestigeträchtige Vergangenheit ist, eine leuchtende Zukunft eröffnet.
„Wir haben die Infrastruktur komplett verändert: das Betriebsmodell, die Mitarbeitenden, die Kostenbasis, die strategische Ausrichtung und die Markenposition“, erklärt sie.
Heute arbeitet das Unternehmen dank ihrer neuen Strategie und Unternehmenskultur fast kostendeckend. Es geht um Unabhängigkeit, Mut und darum, sich von der Masse abzuheben.
„Inzwischen wissen wir, wer unsere Wettbewerber und unsere Kunden sind, und wir betrachten das Ganze nicht anders als ein Radrennen, das wir gewinnen wollen“, so Millar.
Auch sie hat sich verändert – was ihre Art sich zu kleiden angeht.
„Früher habe ich mich in Leggings, Sweatshirt und Turnschuhen wohlgefühlt“, räumt sie ein. „Aber heute versuche ich, die typische Belstaff-Frau zu verkörpern: klassisch, schick, aber mit dem gewissen Etwas.“
Belstaff wurde 1924 in Stoke-on-Trent, Staffordshire, von dem jüdischen Immigranten Eli Belovitch und seinem Schwiegersohn Harry Grosberg gegründet.
Während der ersten vier Jahre verkauften sie wasserfeste Capes, Rucksäcke und Armeehemden. Ihr Ziel war einfach nur, ihre Kunden trocken zu halten.Großbritannien musste auf den Trialmaster – das kultigste Produkt von Belstaff – warten. Dabei handelt es sich um eine gewachste Baumwolljacke mit vier Taschen im Militärstil, die ihrem modischen Anspruch nach wie vor gerecht wird.
„Das war nicht einfach nur eine Jacke“, erklärt Peter Howarth von Boat International, „sondern ein klassisches Stück Ingenieurskunst.“
Einer, der dies bezeugen kann, ist der „King of Trial“ – Motorradrennfahrerlegende Sammy Miller – der in der Entwicklungsgeschichte der Jacke in den 50er Jahren eine entscheidende Rolle spielte.
Er trug bei seinem ersten Scottish Six Days Trial im Jahr 1954 eine Belstaff-Jacke.
„Ich bin besser gefahren, weil ich trocken war“, bezeugt er. „Die übrigen Teilnehmer waren völlig durchnässt. Ich habe mir immer Regen herbeigewünscht, weil die anderen dann nass und
durchgeweicht waren und ich sie einfacher besiegen konnte.“
Sir Chris Bonington trug Schutzkleidung von Belstaff, als er und Doug Scott im Juli 1977 als erste Kletterer den 7285 Meter hohen Gipfel des Baintha Brakk (Ogre) in Pakistan bezwangen.
Obwohl die Geschichte von Belstaff lange Jahre mit dem Motorradsport verknüpft war, wurde die Kleidung der Marke auch von einigen der tollkühnsten Helden der Welt getragen.
Aber vielleicht ist es dem verstorbenen Hollywood-Schauspieler Steve McQueen zuzuschreiben, dass er die Marke für ein breiteres Publikum attraktiv machte. Im Jahr 1963 versuchte er, bekleidet mit einer Belstaff-Jacke, in der berühmtesten Szene des Films „Gesprengte Ketten“, mit dem Motorrad über einen Stacheldrahtzaun zu springen.
McQueen war sowohl im Film als auch privat ein Belstaff-Fan, und es gibt Gerüchte, denen zufolge er eine Verabredung mit seiner damaligen Freundin Ali MacGraw platzen ließ, um stattdessen zu Hause seine Belstaff-Jacke zu wachsen.
Im Laufe der Jahre wechselte Belstaff zwar wiederholt den Eigentümer, aber die Kunden sind der Marke treu geblieben.
„Ich möchte nicht, dass sie sich verändert“, sagt Fran. „Ich möchte nicht, dass Belstaff seine klassische und wunderschöne, qualitativ hochwertige Jacke aus gewachster Baumwolle aus dem Sortiment nimmt, denn die macht die Marke doch aus.
Aber als ich den Job annahm, glaubte ich eigentlich nicht, dass Belstaffs Erfolgsgeheimnis der Vergangenheit die Marke auch in die Zukunft bringen könnte.“
Seit sie das Ruder übernommen hat – mit klaren Anweisungen von INEOS-Gründer Sir Jim Ratcliffe – hat das Unternehmen nicht nur überlebt, sondern ist förmlich neu erblüht.
„Die Marke ist echt rebellisch, mit einem rebellischen Geist“, stellt sie fest. „Wenn Kunden sich für Belstaff anstatt für Barbour entscheiden, dann sagt das etwas über sie aus.“
Das Unternehmen wurde komplett umgekrempelt. Die Läden wurden aufgefrischt und die Marke neu positioniert, ohne dabei ihre passionierten und loyalen Bestandskunden zu vergraulen.
„Wir haben sie neu erfunden, indem wir alles Überflüssige entfernt haben und zum Kern der Marke vorgedrungen sind, wofür sie steht“, so Millar.
Gore-Tex wurde wieder ins Sortiment aufgenommen, und die Kleidungsstücke von Belstaff sind jetzt in den verschiedensten Farben erhältlich und nicht mehr nur in Marineblau, Braun oder Schwarz.
Das Unternehmen hat außerdem anlässlich seines 100. Geburtstags eine Kollektion herausgebracht.
„Das sind alles klassische Produkte der Marke, neu interpretiert“, fügt Millar hinzu, die ein Team von 180 Mitarbeitenden leitet.
Mit Blick in die Zukunft erwartet sie noch so Einiges.
„Wir können Erlebnisse kreieren, eine Story und ein Narrativ entwickeln, das andere Marken nicht unbedingt bieten können“, findet sie. „Ich bin davon überzeugt, dass sich Belstaff in ein paar Jahren zu einer globalen Supermarke entwickeln kann, mit dreistelligen Umsätzen und einem EBITDA im zweistelligen Bereich.“