Graduates überleben Wüstenhitze in Namibia und entdecken, dass sie unter schwierigen Bedingungen zu weit mehr fähig sind, als sie jemals gedacht hätten
ES war für einige wenige Privilegierte eine kurze, aber intensive Lernerfahrung in dem, worauf es im Leben vielleicht wirklich ankommt.
Luft. Nahrung. Wasser. Und Schutz.
Dies sind nach dem amerikanischen Psychologen Abraham Maslow die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Wenn diese Bedürfnisse erfüllt sind, wollen wir mehr.
In der modernen Welt von heute haben – und fordern – wir weit mehr. Alles, was wir brauchen, ist in greifbarer Nähe. Wir können unsere Lebensmittel vom Fitness-Studio aus bestellen, eine SMS an jemanden am anderen Ende der Welt senden und die Heizung abschalten, wenn wir gerade in der Kneipe sind.
Doch was geschieht, wenn diese „lebensnotwendigen Dinge“ plötzlich nicht mehr da sind?
Das haben neunundzwanzig Graduates von INEOS selbst herausgefunden, als sie sich zu einem Lauf, Radrennen und Trekking über eine Strecke von 350 km unter extremen Bedingungen durch die brennend heiße afrikanische Wüste bei einer der seltensten und härtesten Teambuilding-Herausforderungen, die ein Unternehmen jemals gestellt hat, anmeldeten.
Dabei lernten sie sehr schnell, dass die Stimmung nicht durch einen Bonus steigt. Dies passierte eher durch den flüchtigen Blick auf ein seltenes schwarzes Nashorn, eine kühlende Brise, den atemberaubenden Anblick des Sonnenaufgangs vom Gipfel des Brandbergs, dem höchsten Gipfel Namibias, oder wenn nach einem langen und ermüdenden Tag in der Wüste schließlich das Basislager in Sicht war.
Die Graduates arbeiteten gut als Team zusammen und unterstützten sich gegenseitig, als sie sich durch das schwierige und unwirtliche Gelände vorwärts kämpften.
„Manchmal schoben wir uns gegenseitig Felsen hinauf, andere Male zogen wir uns gegenseitig hinauf“, erzählt Gabby Isidro, eine 26-jährige Traderin im Bereich Energie und Kohlendioxid, die im INEOS-Büro in Hans Crescent in London tätig ist.
Für den INEOS-Vorstandsvorsitzenden Jim Ratcliffe war dies eine gelungene Herausforderung.
Er hatte dem INCH-Magazin kurz vor ihrer Abreise nach Namibia gesagt: „Es ist bemerkenswert, was Leute fertigbringen, wenn sie die Hindernisse in ihren Köpfen über Bord werfen.“
Und so fühlt Gabby sich ganz gewiss heute.
„Ich glaube, dass man sich seiner körperlichen und geistigen Kraft eigentlich nicht bewusst ist, bis man an seine äußersten Grenzen kommt“, meint sie.
Gabby gibt bereitwillig zu, dass es für sie ganz untypisch war, freiwillig an dem sechstägigen Abenteuer ins Ungewisse teilzunehmen. Sie war nicht übermäßig sportlich, und ihre Mutter Julia war nicht gerade begeistert von dem Gedanken, dass ihre Tochter bei brennender Hitze durch die unberührte Wüste Namibias laufen, trekken und Rad fahren würde.
„Ich war übergewichtig und hatte überhaupt keine Kondition, und meine Mutter war wegen meines rechten Handgelenks besorgt, das teils aus Metall, teils aus Kunststoff besteht“, erklärt Gabby. „Ich hatte im Alter von 18 bis 22 Jahren fünf Operationen, und sie war besorgt, dass all die OPs zur Wiederherstellung des Gelenks zunichtegemacht werden könnten.“
Doch das Kriterium für die Teilnahme war ganz einfach: Wenn du glaubst, du schaffst es, dann bist du mit dabei – und Gabby glaubte, sie würde es schaffen.
Sie nahm auch an, sich mit einem Lächeln erinnernd, dass sie als halbe Portugiesin vielleicht besser mit der glühenden Hitze zurechtkommen würde als einige der hellhäutigeren Graduates.
„Ich war fest entschlossen, es zu tun“, meinte sie. „Ich wollte gesund und fit werden. Ich wusste, dass ich für die Radtour eine Titanium-Schale und einen Kompressionsstrumpf tragen musste, doch das zeigte mir, dass es immer einen Weg gibt, vermeintliche Hindernisse zu überwinden.“
Das Vorbereitungstraining war zwar intensiv, aber ungemein wertvoll.
„Ich muss jede Woche reisen und trage viel Verantwortung, was ich liebe, doch ich erinnere mich daran, dass ich mitten im Winter den Januar über in Norwegen, Belgien und der Schweiz war und versuchte, mein Training in meinen Terminplan einzufügen. Ich habe jedoch sehr schnell gelernt, meine Zeit besser in den Griff zu bekommen und mich daran gewöhnt, meine Sportsachen überall mit hinzunehmen.“
Im Mai bestiegen sie und ihre 28 INEOS-Kollegen und -Kolleginnen aus aller Welt ein Flugzeug nach Windhoek, das möglicherweise den kleinsten internationalen Flughafen der Welt hat.
Kasper Hawinkel, ein Produktionsingenieur von INEOS Oxide in Belgien, erinnert sich gut an die Reise.
„Ich erinnere mich daran, dass ich einige Zweifel daran hatte, die ganze Herausforderung bewältigen zu können“, meinte er. „Ich hatte es nicht für möglich gehalten, in einer Woche 190 km mit dem Fahrrad zurückzulegen und dazu noch zwei Halb-Marathons und einen Marathon zu laufen. Ich hatte mich geirrt.“
Auch Gabby war recht nervös, doch bevor sie sich wirklich auf die bevorstehende Herausforderung konzentrieren konnte, nahm sie Anrufe von potenziellen Anbietern an, die Angebote für ein INEOS-Energiegeschäft unterbreiteten.
„Zu Hause habe ich immer mein Telefon dabei, doch da draußen gibt es nichts, keine E-Mails, keine Computer“, sagt Gabby. „Ich dachte, dass ich damit Schwierigkeiten haben könnte, doch es war wirklich eine Freude für mich, einmal ganz von der Arbeit – und von der Welt um mich herum insgesamt – abschalten zu können.“
Alle durften 15 kg Gepäck mitnehmen.
Außer den wesentlichen Dingen, wie verschiedenen Schuhen zum Laufen, Radfahren und Trekken, packte Gabby auch ein wenig Make-up ein. Die Haarglätter aber blieben zu Hause.
Jeder Tag brachte neue Herausforderungen.
Doch die Graduates gingen – als Team – voll an.
„Man nimmt jeden Tag einfach so. wie er kommt“, meint Gabby. „In mancher Hinsicht kann man ihn nicht planen. Du steckst mitten in der Wüste, hast keine andere Wahl und musst von A nach B, also nützt es nichts, zu klagen.“
Doch da war auch ein echtes Gefühl von Stolz – und ein Bewusstsein, dass sie alle zusammen in einem Boot saßen.
„Das hat mir sicherlich geholfen, durchzuhalten“, meint Kasper. „Ich hatte viele körperlich und mental schwierige Momente, wollte aber nicht aufgeben und das Team enttäuschen.“
Jill Dolan von INEOS‘ Personalabteilung hatte den Teilnehmenden vor ihrer Abreise im Namen des „Nam’17“-Projektteams eine Nachricht mit den besten Wünschen geschickt.
„Herausforderungen bringen das Beste im Menschen hervor, da sie beweisen, dass man zu Dingen fähig ist, die man nicht glaubte, bewältigen zu können“, so Jill Dolan. „Diese Graduates werden auch Freundschaften fürs Leben geschlossen haben auf ihrer gemeinsamen Reise voller Errungenschaften und Herausforderungen für den Einzelnen und das Team.“
Laut Kasper und Gabby sind lebenslange Freundschaften entstanden.
„Wir haben dieses unvergessliche Erlebnis alle miteinander geteilt“, sagt Kasper.
Die Teilnehmenden waren vor der extremen Hitze gewarnt worden.
„Wenn man zurückblickt, dann ist das beängstigend“, meint Gabby. „Doch wenn man da ist, geht man die anstehende Aufgabe einfach an. Wir waren absolut entschlossen, jeden Tag durchzustehen.“
Auch der Wind war ein ständiger Begleiter, manchmal war es unerträglich.
„An einem Tag hatten wir so starken Wind, dass wir fast drei Stunden brauchten, um zehn Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen, und das bei 47 Grad Hitze“, berichtet Gabby. „Es war gnadenlos.“
Fast die Hälfte ihrer Kollegen/innen mussten an diesem Tag wegen Dehydrierung behandelt werden. Doch Gabby hielt durch – allerdings stürzte sie drei Kilometer vom Basislager entfernt mit dem Fahrrad.
„Zuerst dachte ich, ich hätte mir den Schädel gebrochen, denn ich konnte wegen all des Bluts nicht richtig sehen“, erzählt sie. „Doch es stellte sich heraus, dass ich trotz Platzwunde am Kopf nur eine Beule an der Stirn hatte.“
Dieses Erlebnis hat sie verändert – nicht zuletzt, weil sie jetzt eine kleine Narbe an der Stirn hat.
„Es hat mir geholfen, die Dinge in eine andere Perspektive zu rücken und mit schwierigen oder angespannten Situationen besser fertig zu werden“, sagt sie. „Wenn mir die Arbeit zu viel wird, dann kann ich einfach an irgendeinen Augenblick in Namibia zurückdenken und mir sagen, das haben wir geschafft.“
Sie ist auch fest entschlossen, fit zu bleiben – egal, wie viel sie zu tun hat.
„Mir ist jetzt klar geworden, dass ich gesund, fit und körperlich topfit mit allem, was mir begegnet, fertig werden kann“, sagte sie.
Phill Steffny, ein Safari-Führer aus Kapstadt, war einer der Tourenführer auf der Reise.
„Es war ein atemberaubendes, lebensveränderndes Erlebnis“, meint er. „Und alle haben sich verändert.“
Die Entschlossenheit und der feste Wille, den die Teilnehmenden gezeigt hätten, seien inspirierend gewesen.
„Diese Art von Leuten arbeitet für INEOS“, sagt er. „Das liegt in ihrer DNA.“
Phill wird einer der Tourenführer sein, die die Graduates im nächsten Jahr in die Wüste führen werden.
„Ich denke, jede und jeder kann Erstaunliches vollbringen“, sagt er. „Man hat vielleicht keine Ahnung, wie man‘s machen soll. Aber wenn man die Gelegenheit bekommt, dann verstehe ich nicht, warum man es nicht machen will.“
Er fügt hinzu: „Wenn man alleine dort draußen ist, dann ist das etwas anderes. Doch sie waren ein Team. Alle saßen im selben Boot. Einen Tag fühlt man sich vielleicht gut, den nächsten miserabel. Das ist wie im normalen Leben. Das ist dasselbe.“