Es war Belgien, wo die INEOS-Erfolgsgeschichte vor 19 Jahren begann. Nun da das Unternehmen seine höchsten Gewinne bisher feiert, wirft INCH einen Blick auf die anhaltende Bedeutung Belgiens für INEOS und auf die ursprünglich in Belgien entwickelten Praktiken,
die mittlerweile routinemäßig im gesamten Konzern angewandt werden
ANTWERPEN ist ein Anziehungspunkt für den Handel, seit es im 12. Jahrhundert begann, Wein aus Deutschland nach England zu exportieren.
Es ist also nur logisch, dass Jim Ratcliffe seine erste größere Transaktion hier abschloss, als er vor 19 Jahren einen ehemaligen BP-Standort in Zwijndrecht, Provinz Antwerpen, erwarb und INEOS gründete.
Seither hat der Hafen von Antwerpen sich zu dem am stärksten integrierten Petrochemie-Cluster weltweit entwickelt. Er ist mit dem Rest der Welt über See, Schiene, Straße sowie ein umfangreiches, 1000 km langes Pipeline-Netzwerk verbunden.
Und INEOS ist von einem Standort in Belgien zum drittgrößten Chemieunternehmen der Welt mit einem Umsatz von 40 Milliarden Dollar und 17.000 Angestellten an 67 Produktionsstandorten in 16 Ländern gewachsen.
Man hatte eine gemeinsame Vision, sah Möglichkeiten, wo andere keine sahen, und glaubte an eine klügere Zukunft – wie es heute noch der Fall ist.
„INEOS ist in Belgien ein wichtiger Akteur in dieser Branche und ist Teil der Entwicklung und des Erfolges dieses Chemie-Clusters“, so Yves Verschueren, Geschäftsführer bei Essenscia, dem Verband der belgischen Chemieindustrie. „INEOS steigert die Verfahrenseffizienz auf das höchstmögliche Maß und zeigt uns häufig, wohin es auf dem Markt geht.“
Ausgehend von einem Standort in Antwerpen im Jahr 1998 betreibt INEOS mittlerweile elf weitere Produktionsstandorte in Belgien – in Lillo, Doel, Zandvliet, Geel, Tessenderlo, Jemeppe-sur-Sambre, Feluy und Zwijndrecht – und ein Forschungslabor in Neder-Over-Heembeek (NOH), wo mehr als die Hälfte der mehr als 100 Beschäftigte hochqualifizierte Ingenieur/innen und Promovierte aus aller Welt sind.
Zusammen stellen die INEOS-Unternehmen – Oxide, Styrolution, Phenol, Oligomers, INOVYN, ChloroToluene und INEOS O&P Europe – Produkte her, die den modernen Lebensstil erst ermöglichen, und sind mit 2.500 Beschäftigten zweitgrößter Arbeitgeber der petrochemischen Industrie in Belgien. Hans Casier, nun CEO bei INEOS Phenol, erinnert sich noch an die Geburtsstunde.
„Jim erkannte in dem Standort und dem Unternehmen in Zwijndrecht großes Potenzial“, sagte er. „Er hörte auf die Ideen der Beschäftigten, was für eine Steigerung der Produktion getan werden musste.“
Er hörte nicht nur auf die Beschäftigten, er forderte sie auch zur Umsetzung auf.
„Das war ein ziemlicher Schock für das System“, erinnert sich Casier. „Denn ein derartiges Vorgehen waren wir nicht gewohnt. Wir wurden nicht mehr gefragt, was unserer Meinung nach getan werden musste. Wir wurden aufgefordert, es zu tun. Und tief in unserem Inneren wussten wir, dass wir es schaffen mussten.“
Der Wandel erfolgte rasch, es gab einen echten Fokus.
Hans Casier führt den Erfolg auf die belgischen Teams zurück, die nicht nur an den Plan glaubten, sondern auch über das nötige Können und Wissen verfügten, um ihn umzusetzen.
„Wir sind vielleicht ein kleines Land, aber wir sind ziemlich aufgeschlossen. Das hat uns über die Jahre geholfen, viele Investitionen aus Ländern wie Deutschland, USA, Japan, Frankreich und dem Vereinigten Königreich anzuziehen”, erklärte er.
Wirklich gut war INEOS Belgien auch darin, andere – sogenannte.
Dritte – anzulocken.Bis dato haben sich 12 seiner Lieferanten und Kunden an seinem Standort in Zwijndrecht niedergelassen. Das ermöglicht Einsparungen durch gemeinsame Ressourcen, Energie, Infrastruktur und Dienstleistungen.
Und daraus ergeben sich eindrucksvolle statistische Fakten.
Die größte PAO-Produktionsanlage der Welt wird von INEOS Oligomers von Feluy aus betrieben.
Der Standort Geel, der von Außenstehenden als eine der energieeffizientesten Anlagen Europas bezeichnet wird, produziert mehr als 100 Produkte, die in 76 verschiedene Länder verkauft werden.
Die zweitgrößte Ethylenoxid-Anlage in Europa befindet sich in Antwerpen, wo INEOS Oxide Jahr für Jahr 400.000 Tonnen Basischemikalien für beinahe alle Gegenstände des modernen Lebens herstellt.
Lillo leistet einen Beitrag zur Produktion von zwei der wichtigsten Erzeugnisse Belgiens – die Kunststoffverpackungen für Schokolade und eine Pipeline für Bier.
„Die Belgier wissen Bier zu schätzen; daher sind wir stolz auf unsere Pipeline, die Bier aus der Brauerei im Zentrum von Brügge zur Abfüllanlage außerhalb der Stadt transportiert“, so Veerle Gonnissen, Standortleiterin bei Olefins & Polymers North Plants (Geel und Lillo).
Ein anderer großer Kunde des Standortes ist der Frischmilchmarkt des Vereinigten Königreichs.
„Im Vereinigten Königreich wird eine Menge Frischmilch verarbeitet. 70 Prozent der dafür verwendeten Flaschen werden aus unseren Produkten gefertigt”, berichtet sie.
Aber das ist noch nicht alles. Die Standorte spezialisieren sich auch auf die Herstellung von Kunststoffen für Verpackung, medizinische Geräte und sogar Kunstrasen.
In Belgien ist auch die weltgrößte und effizienteste Phenol- und Aceton-Anlage beheimatet. Sie stellt 650.000 Tonnen Phenol und 425.000 Tonnen Aceton pro Jahr her.
„Wir haben hier ein tolles Team“, berichtete Marcus Plevoets, Standortleiter bei INEOS Phenol.
„Die Anlage ist brandneu und sie verfügt über die beste Technologie und die höchste Energieeffizienz.“
Phenol ist in Reinigungsprodukten, Duschgels, Schampoos, Aspirin, Kunststoffen und Mobiltelefonen enthalten.
„Ein Leben ohne Phenol und Aceton ist schwer vorstellbar“, meint Plevoets, „denn diese Produkte sind überall.“
Wie bei allen INEOS-Standorten stehen Sicherheit, Zuverlässigkeit und Wachstum auch für das Team von INEOS Oxide im Vordergrund. INEOS Oxide ist einer der wenigen Hersteller von ENB weltweit, einem ganz speziellen Polymer, das vorwiegend in der Automobilindustrie Verwendung findet.
„Wir haben das im Laufe der Jahre wirklich gut hinbekommen“, meinte CEO Graham Beesley, der ehemals für Procter & Gamble tätig war und INEOS-Kunde war. „Es gibt nur zwei etablierte Hersteller weltweit; wir sind der einzige Standort in Europa.“
Der Standort habe seine ENB-Produktion durch eine Reihe von kleineren Erweiterungen in den 19 Jahren von INEOS’ Bestehen verdreifachen können.
Im Laufe der Zeit wurde Belgien zur Inspiration für andere INEOS-Standorte auf der ganzen Welt, was die Frage angeht, wie man Teil eines erfolgreichen Petrochemie-Clusters wird.
„INEOS profitiert davon, einem so großen und integrierten Cluster anzugehören, aber es trägt auch eine Menge bei“, so Verschueren. „INEOS arbeitet mit der lokalen Bevölkerung zusammen und hat den Anwohnern durch seine Arbeit in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Es hat Regierungsbeamten sicherlich nachdrücklich klargemacht, wie wichtig Innovation für den Erfolg dieses Clusters ist.“
Mit Blick auf die Zukunft haben alle belgischen INEOS-Standorte Pläne für Verbesserungen. Intensiveres, klügeres Nachdenken steht immer noch ganz oben auf der Liste.
Ein entscheidendes Projekt für INEOS Oxide in Zwijndrecht ist derzeit der Bau eines neuen Ethylenoxidlagertanks und eines fünften Alkoxylierungsreaktors.
Der Standort möchte sein Hauptaugenmerk auf die erhöhte Produktion von Alkoxylaten richten, aus welchen vielerlei Produkte hergestellt werden. Aber dafür werden mehr Ethylenoxid zum Zapfen und ein fünfter Reaktor vor Ort benötigt, um der Nachfrage gerecht zu werden.
„Dadurch wird das Unternehmen weniger abhängig vom Verkauf von Ethylenglykol, welches zwar wichtig, aber hinsichtlich der Gewinnmargen größeren Schwankungen unterworfen ist”, erklärte Beesley.
INEOS Styrolution plant, eine Extruderlinie für die Produktion von ABS weißer Farbe umzubauen, welche in der Herstellung von Haushalts- und Elektronikgeräten Verwendung finden.
INEOS O&P Europe plant Modernisierungen und eine neue Katalysatorzufuhrtrommel, damit ein Betrieb mit zwei verschiedenen Katalysatoren möglich wird.
INOVYN beabsichtigt, seine Membran-Elektrolyse um 25 Prozent zu erweitern und eine große Kaliumhydroxid (KOH)-Produktionseinheit anzuschaffen.
Und INEOS Phenol erkundet derzeit Wege der Zusammenarbeit mit anderen Branchen an dem riesigen Standort, um im Rahmen einer großen Initiative die aus dem Abfall erzeugte Energie zu verwenden.
„Es ist noch früh am Tage, aber wir werden hart an der Umsetzung arbeiten”, so Plevoets.
Durch die Erfassung und Wiederverwendung von überschüssigem Dampf für den Betrieb von anderen Anlagen am Standort wird INEOS vermeiden, dass jährlich 100.000 Tonnen Treibhausgase in die Luft gepumpt werden.
Marcus Plevoets und seinem Team ist das wichtig.
„Wir müssen der Gesellschaft zeigen, dass uns die nächste Generation am Herzen liegt und dass wir umweltfreundlich sind”, erklärte er.
Trotz des rapiden – und anhaltenden – Wachstums von INEOS nimmt Belgien für Jim Ratcliffe immer noch einen speziellen Platz ein und bleibt auch weiterhin sehr im Zentrum der Frage, wie welche Geschäfte betrieben werden.
Wird es nach dem Brexit zur Bedeutungslosigkeit absinken? Keinesfalls, so Ratcliffe.
„Belgien ist ein gutes Land für die verarbeitende Industrie, wir haben hier sehr viel investiert und bedeutende nachweisliche Erfolge aufzuweisen”, meinte er.