Für viele sind Naturwissenschaften etwas, was man in der Schule gelernt hat und dann den Geschichtsschreibern überlässt. Doch das muss sich ändern, wenn wir Antworten auf einige der bedrohlichsten Fragen aller Zeiten nden wollen. Und zum Glück sind die Dinge dabei, sich zu ändern. Allmählich. Und ein Land, das hier vielleicht Fortschritte erzielt, ist Deutschland
DIE Welt begreift allmählich, dass die Naturwissenschaften unsere Rettung sein könnten.
Wir sehen uns mit schwindenden Bodenschätzen und steigenden Bevölkerungszahlen konfrontiert, das heißt, die Gesellschaft muss sich darüber klar werden, wie es mit unserem Planeten im 21. Jahrhundert weitergehen soll. Denn was heute Naturwissenschaft ist, kann morgen Technologie sein.
Nicht ganz einig ist man sich in der Welt, wie man die jungen Menschen von heute von einer Karriere in den Naturwissenschaften überzeugen kann.
Die Alarmglocken begannen bereits vor vielen Jahren zu schrillen.
Die Europäische Kommission warnte im Jahr 2008, dass sich nicht genug junge Menschen über 16 Jahren für Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwissenschaften oder Mathematik entschieden – und befürchtete, dass es ohne Maßnahmen einen Mangel an hochquali zierten Wissenschaftler/innen, Ingenieur/innen und Techniker/innen geben würde.
Sie empfahl radikale Veränderungen im naturwissenschaftlichen Unterricht, der weniger auf das Auswendiglernen von Fakten, das größtenteils für die schwindende Lust auf Naturwissenschaften verantwortlich gemacht wird, und mehr auf einen Unterrichtsstil ausgerichtet werden soll, der die Schüler zu Fragen anregt und ihr Verständnis fördert.
Fünf Jahre später, im Jahr 2013, sprachen über 100 Delegierte aus 58 Ländern bei einer weltweiten Konferenz der wissenschaftlichen Akademien immer noch über dieses Thema.
Doch in Deutschland scheint man sich diesem Problem bereits seit 2006 zugewendet zu haben.
Professor Dr. Petra Skiebe-Corrette von der Freien Universität Berlin begründete im Jahr 2006 die Initiative „TuWaS!“, nachdem sie die erstaunliche Wirkung eines ähnlichen Modells in Schweden gesehen hatte.
Heute sind144 Schulen in Berlin, von wo die Initiative ausging, beteiligt.
Dr. Anne-Gret Iturriaga Abarzua, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei INEOS in Köln, war eine frühe Verfechterin des Programms, als „TuWas!“ im Jahr 2008 von der Handelskammer nach Köln gebracht wurde.
Das Programm „TuWaS!“ regt Schülerinnen und Schüler in Grund- und Sekundärschulen und weiterführenden Schulen dazu an, Fragen zu stellen, anstatt sich mit vorgefertigten Antworten zufriedenzugeben.
Anne-Grets leidenschaftlicher Einsatz – und die nanzielle Unterstützung durch INEOS – motivierten die Schulen rasch, sich der Initiative anzuschließen.
„Wir sehen nun tatsächlich die Wirkung von ‚TuWaS!‘“, so Anne-Gret, die von Professor Skiebe eingeladen wurde, bei der Feier des zehnjährigen Jubiläums von „TuWaS!“ an der Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften letzten Monat zu sprechen. „Wir haben in Köln nun sogar eine Logistik- und Lagereinheit für ,TuWaS!’“
In Deutschland gehört der fragenbasierte naturwissenschaftliche Unterricht nun bereits in vielen Schulen zum Lehrplan, und das „TuWaS!“-Programm für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren wurde of ziell von vier der 16 deutschen Bundesländer übernommen.
Die Lehrerinnen und Lehrer besuchen ein eintägiges Seminar, wo sie die naturwissenschaftlichen und technischen Experimente zunächst erlernen. Dann kehren sie mit Experimenten für ein ganzes Schuljahr und dem Selbstvertrauen, diese einzusetzen, in ihre Klassen zurück.
Als größter industrieller Arbeitgeber in Köln ist INEOS daran immer noch stark beteiligt.
„Als weltweiter Chemiekonzern wissen wir, wie wichtig es ist, mit der naturwissenschaftlichen und technischen Ausbildung bereits in frühem Alter, also bei den Sechsjährigen, zu beginnen“, so Anne-Gret. „Diese Partnerschaften helfen uns als Unternehmen, als Industrie und als Industrieland, junge Menschen anzuziehen – besonders Mädchen –, die neugierig, begeistert und motiviert sind, die Welt durch Naturwissenschaft zu verbessern.“
INEOS in Köln ist der größte Sponsor im Rheinland und unterstützt fast die Hälfte der 70 Schulen, die am „TuWaS!“- Programm teilnehmen. INEOS Beschäftigte fungieren als Botschafter und haben bisher bereits über 6.000 Kinder erreicht.
„INEOS engagiert sich sehr, will die gesamte Last aber nach Möglichkeit nicht alleine tragen“, erklärt Anne-Gret. „Wir wünschen uns, dass mehr Firmen Verantwortung übernehmen.“
Doch „TuWaS!“ soll expandieren.
Anne-Gret beabsichtigt, „TuWaS!“ nun auch auf andere deutschsprachige Länder, wie Österreich und die Schweiz, auszudehnen.
Währenddessen erwägt INEOS die Einführung eines ähnlichen Programms in britischen Schulen.
INEOS unterstützt derzeit die Chemie-Olympiade der „Royal Society of Chemistry“, um Tausende junge Menschen im gesamten Vereinigten Königreich zu einer naturwissenschaftlichen Laufbahn zu animieren.
Die „Royal Society“ und der britische Industrieverband (Confederation of British Industry – CBI) wären darüber gewiss erfreut. Sie haben im Mai bereits einen Leitfaden für Unternehmen und Lehrer/innen herausgebracht, der ihnen helfen soll, die Zusammenarbeit zu fördern. Darin hieß es, die Unternehmen müssten enger mit Schulen zusammenarbeiten.
„Die meisten jungen Menschen führen ihre Entscheidung für ein naturwissenschaftlich- technisches Fach auf eine/n inspirierende/n Lehrer/in zurück; die Zusammenarbeit mit Lehrerinnen und Lehrern ist also der beste Weg, die naturwissenschaftlich-technischen Mitarbeiter für die Zukunft zu sichern“, so Professor Tom McLeish, Vorsitzender des Bildungsausschusses der „Royal Society“.
Neil Carberry, Director for Employment and Skills Policy des CBI, meinte, viele Firmen arbeiteten bereits eng mit örtlichen Schulen zusammen, doch es könnte immer noch mehr getan werden, um Schüler/innen für diese entscheidenden Fächer zu motivieren.
„Viele Branchen vertrauen auf Universitäten und Fachschulen zur Versorgung mit Talenten im Bereich der Naturwissenschaften, doch es zeigen sich bereits Engpässe, die unsere Wirtschaft hemmen werden“, stellte er fest.
Unabhängig wie die Entwicklung im Vereinigten Königreich weitergeht, INEOS wird das „TuWaS!“-Programm in Deutschland weiterhin unterstützen.
„Unser Geheimnis ist der Aufbau von Beziehungen“, erklärt Anne-Gret. „Wir wollen die Besten der Besten anlocken, Verständnis für die Branche schaffen und gleichzeitig unser Ansehen aufbessern.“