DIE Bereitstellung und Sicherung der Energieversorgung ist eine Kernaufgabe jeder Regierung. Dafür zu sorgen, dass die Lichter nicht ausgehen, ist ebenso wichtig wie Gesundheit, Bildung oder Recht und Ordnung, doch die Öffentlichkeit macht sich darüber kaum Gedanken – man will heißes Wasser zum Duschen, fragt aber nicht nach den wirtschaftlichen Faktoren dahinter.
Doch Energie ist nicht nur für die Allgemeinbevölkerung wichtig. Auch die verarbeitende Industrie benötigt eine stetige Versorgung, um die Produktion aufrecht zu erhalten – eine Produktion, von der über zwei Millionen Arbeitsplätze abhängen.
Die verarbeitende Industrie muss konkurrenzfähig bleiben, und zwar so konkurrenzfähig – ich meine damit rentabel –, dass auch noch Investitionen möglich sind. Andernfalls wird die Industrie verkümmern und absterben, wie es beim Großteil der einst stolzen britischen Textilindustrie der Fall war nur einen Punkt.
Dasselbe Prinzip gilt für die verarbeitende Industrie, die ebenso stark von wettbewerbsfähigen Energiepreisen abhängig ist wie die Chemie-, Stahl-, Automobilbranche und viele andere Sektoren.
Wenn diese Sektoren nicht mehr konkurrenzfähig sind, werden die Unternehmen schließen, und ihre Arbeitsplätze gehen verloren – wie dies im letzten Jahr in der Stahlindustrie zu beobachten war..
Schlimmer nocht, diese Stufe ist längst erreicht! Die verarbeitende Industrie erlebte im Vereinigten Königreich im Verlauf der letzten 20 Jahre einen drastischen Niedergang. Von etwa 23 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in den 90er Jahren – vergleichbar mit dem deutschen Niveau – schrumpfte die verarbeitende Industrie im Vereinigten Königreich auf gegenwärtig erbärmliche neun Prozent.
Und der kleine Rest der verarbeitenden Industrie hat mit Energiepreisen zu kämpfen, die zu den höchsten der Welt gehören.
Die Gaspreise sind um 50 Prozent höher als in Amerika, und Strom kostet doppelt so viel wie in den USA. Deutschland schützt seine verarbeitenden Betriebe durch Befreiungen von Umweltsteuern. Aufeinanderfolgende britische Regierungen ließen diese dagegen immer mehr anwachsen.
Die gegenwärtige Situation wird noch dadurch verschärft, dass das Vereinigte Königreich seit Jahrzehnten keine schlüssige Energiepolitik hat.
Während die letzten Kohlekraftwerke, die für heutige Umweltstandards einfach zu ,,schmutzig” sind, geschlossen werden, schwinden die Nordseegasvorkommen, und das Vereinigte Königreich ist mit alternden Kernkraftwerken konfrontiert.
In den letzten 20 Jahren setzte die britische Regierung scheinbar auf Windenergie, obwohl der Anführer der Lobby der erneuerbaren Energien kürzlich zugeben musste, dass es in England einfach nicht genug Wind für die Windenergie gebe.
Wenn wir den gesamten Energiebedarf des Landes nehmen und den Kraftstoff für den Verkehr abziehen, bleiben Gas und Kernenergie die deutlich vorherrschenden Energiequellen mit einem Anteil von etwa 60 Prozent.
Windenergie, die großen Schwankungen von Tag zu Tag unterworfen ist, macht etwa drei Prozent aus.
Unter der Annahme, dass die Kohle in den nächsten Jahren auslaufen wird, wird der überwiegende Anteil von Gas und Kernenergie noch weiter steigen.
Das Vereinigte Königreich ist als Land heute völlig von Gas und Kernenergie abhängig. Es gibt auf absehbare Zeit keine realistischen Alternativen. Doch, und das ist kein unbedeutendes „doch“, die Gasvorräte in der Nordsee gehen rasch zur Neige, und die Kernkraftwerke sind nicht mehr die Jüngsten.
Die Produktion von Nordseegas hatte ihren Höhepunkt in den 2000-er Jahren erreicht; derzeit macht sie weniger als 50 Prozent der Spitzenproduktion aus. In zehn Jahren wird die Produktion bei weniger als 20 Prozent liegen.
So bleibt dem Vereinigten Königreich die Wahl zwischen russischen Importen, teuren Flüssiggasimporten und einer eigenen Schiefergasproduktion, an der INEOS sehr interessiert ist.
Das sogenannte Marcellus-Schiefergasfeld in Pennsylvania, USA, produziert mehr als das Doppelte des gesamten Gasverbrauchs des Vereinigten Königreichs – und man begann dort erst vor sechs Jahren mit den Bohrungen. Schiefergas ist nicht nur in riesigen Mengen vorhanden, es ist zudem sehr billig: Es ließ den Gaspreis in den USA um 75 Prozent sinken. Und das Vereinigte Königreich sitzt wohl offensichtlich auf recht bedeutenden Vorkommen.
Die Frage der Kernenergie ist komplexer. Es gibt immerhin über 400 Kernkraftwerke auf der ganzen Welt, mit unterschiedlichen Technologien.
Für Hinkley Point wird französische Areva-Technologie eingesetzt werden, obwohl bisher noch kein Reaktor dieses Typs in Betrieb ist. Zwei werden in Europa errichtet: der erste, in Finnland, mit neun Jahren Verspätung; der andere, in Frankreich, mit sieben Jahren Verspätung. Beide haben ihren Kostenrahmen um das Dreifache überschritten. Zwei weitere sind in China im Bau, und auch hier ist man mehrere Jahre im Verzug. Das ist nicht gerade ein ermutigendes Bild!
Es gibt andere Optionen, etwa den von Westinghouse und Toshiba gebauten Reaktor, der die bekanntlich strengen Anforderungen der US-Behörden erfüllt hat. Von diesem Typ sind acht Reaktoren in Bau, vier davon in den USA. Auch hier ist deren Bau um einige Jahre in Verzug geraten, allerdings nicht annähernd so viel wie bei dem französischen Reaktor. Außerdem gibt es einen Reaktor mit konventioneller Technologie, der von GE und Hitachi konzipiert wurde und von dem bereits vier errichtet wurden.
Im Vereinigten Königreich sind heute acht Kernkraftwerke in Betrieb, die alle schon in die Jahre gekommen sind.
Es gilt, die nuklearen Kapazitäten im Vereinigten Königreich eindeutig ausbauen, und auch wenn es unterschiedliche Reaktortypen gibt, ist eines klar: ohne Kernkraft geht es nicht, denn es gibt keinen verlässlichen Ersatz.
Anstelle des geltenden Finanzierungsabkommens mit EDF und ihren chinesischen Amtskollegen sollte die britische Regierung vielmehr eine direkte Finanzierung aus dem Budget in Erwägung ziehen und es dann auf die Bilanz des Vereinigten Königreichs setzen, denn nach diesem Kapitaleinsatz sind die variablen Kosten der Stromproduktion sehr gering; die verarbeitende Industrie ließe sich über viele Jahre hinweg mit Energie zu sehr konkurrenzfähigen Preisen versorgen.
Das Vereinigte Königreich wird auf absehbare Zeit für seinen primären Energiebedarf zur Versorgung der Allgemeinbevölkerung und für Industrie und Handel von Gas und Kernenergie abhängig sein.
Die britische Energiepolitik sollte für die nächsten zehn Jahre die sichere Förderung von Schiefergas und die Errichtung ,,bewährter” neuer Kernkraftwerke zu vorrangigen Zielen machen. Das ist tatsächlich gar nicht so kompliziert.