Mit dem Eintreffen von US-Schiefergas in Großbritannien beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte von Grangemouth. Und die Geschichte ist lesenswert
Ein einziger schottischer Dudelsackpfeifer kündigte die Ankunft der ersten Schiffsladung des mittels Fracking-Technik geförderten Schiefergases aus den USA in Grangemouth an.
Der ehemalige INEOS-Mitarbeiter stand am Bug und spielte den „Skye Boat Song“, als das 183 Meter lange Schiff INEOS Insight – mit der Aufschrift „Schiefergas für die verarbeitende Industrie“ – die Forth Bridge passierte.
Für John McNally, CEO INEOS O&P UK, war es ein unvergleichlicher Augenblick. Für ihn und die 400 Gäste, darunter INEOS-Beschäftigte, die für die Teilnahme ausgelost worden waren, wurde Geschichte geschrieben.
„Als ich 2014 den Posten als CEO übernahm, wurde schon über diesen fernen Tag gesprochen“, sagte er „Wir haben zwei Jahre lang buchstäblich die Tage gezählt.“
An Bord des Schiffes, einer in China gebauten Spezialkonstruktion, befanden sich 27.500 Kubikmeter Ethan, die in fast 5000 Kilometern Entfernung, in Pennsylvania, aus der Erde gepumpt und für die 10-tägige Reise über den Atlantik auf das Schiff verladen worden waren.
Die „Chemical Industries Association“, der britische Verband der chemischen Industrie, beschrieb es als bedeutendste Zukunftsinvestition des Jahrzehnts im Bereich der verarbeitenden Industrie.
„Die Lieferungen sind nicht nur eine gute Nachricht für INEOS“, so Steve Elliott, Chief Executive des Verbandes. „Sie sind auch eine gute Nachricht für den gesamten Sektor und darüber hinaus. Wenn wir erschwingliche und gesicherte Energie ins System bringen, wie INEOS uns das vorführt, kann die verarbeitende Industrie mit besserer Kapazität arbeiten. Das bringt uns allen große Vorteile im Bereich Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft.“
Dank der kostbaren Fracht von INEOS aus Amerika kann die britische Industrie nun auch endlich von dem billigen US-Gas profitieren; dieses hat so sehr zur Wiederbelebung der verarbeitenden Industrie in Amerika beigetragen und wird dem Vereinigten Königreich helfen, weltweit konkurrenzfähig zu sein. Auf der anderen Seite des Atlantik, in Amerika, sind die Energiepreise mittlerweile so wettbewerbsfähig, dass es große Ausbauprogramme in Branchen wie der chemischen Industrie und der Stahlindustrie gibt, die plötzlich zu den konkurrenzfähigsten weltweit gehören.
„In Amerika wird so viel Gas produziert, dass die Importterminals für Gas nun zu Exportterminals umgebaut werden“, so INEOS-Vorstandschef und -Gründer Jim Ratcliffe.
Jim Ratcliffe, der in Failsworth, Manchester, aufgewachsen ist, sagte, das Eintreffen der ersten US-Lieferung sei ein äußerst wichtiger und historischer Tag sowohl für INEOS als auch für das Vereinigte Königreich gewesen.
„Diese Lieferung garantiert die Sicherheit von Tausenden Arbeitsplätzen in Schottland“, erklärte er. „Das Schiefergas kann dazu beitragen, den Niedergang der britischen verarbeitenden Industrie aufzuhalten – und heute setzen wir den ersten Schritt dazu.“
Dies ist das erste Mal, dass Ethan aus US-Schiefergas in das Vereinigte Königreich verschifft wurde, und es ist jener Punkt, an dem INEOS’ Investition von zwei Milliarden Dollar zum Tragen kommt.
Insgesamt werden in den kommenden 15 Jahren acht Tanker jede Woche eine virtuelle Pipeline zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich entstehen lassen.
Um Grangemouth für die Ladungen zu rüsten, musste INEOS Millionen in die Modernisierung des 680 Hektar großen schottischen Standortes investieren. Dort wurde ein neues Importterminal errichtet, wo die Schiffe ihre wichtige Fracht löschen können; und es wurden fast fünf Kilometer Pipelines für den Transport des Gases vom Hafen zu einem neuen, 40 Meter hohen Ethanspeichertank, dem größten dieser Art in ganz Europa, verlegt.
Außerdem wurde ein ganz neues Bürogebäude errichtet, so dass nun erstmals, seit INEOS den Standort im Jahr 2005 von BP erwarb, alle Beschätigten an einem Ort vereint sind.
„Für Grangemouth wird ein Wandel vollzogen“, sagte John. „Das Schicksal des Werks wird sich über Nacht wenden, weil es nun endlich mit voller Kapazität arbeiten kann.“
Die Olefin-Anlage arbeitete viele Jahre nur mit halber Kapazität – und machte somit riesige Verluste –, weil zu wenig Nordseegas vorhanden war, welches für INEOS ein unerlässlicher Ausgangsstoff ist.
So hätte INEOS das defizitäre Petrochemie-Werk wegen des deutlichen Rückgangs des Nordseegases schließen müssen.
Die Schließung des Petrochemie-Komplexes hätte vermutlich das Ende der Raffinerie bedeutet, in der der Großteil des Treibstoffs für Schottland produziert wird und die etwa 3 Prozent zum schottischen BIP beisteuert.
„Rückblickend betrachtet machte dieser Standort zeitweise mehr als 100 Millionen Pfund Verlust pro Jahr – es war nicht tragbar“, so John. „Für die Zukunft erwarten wir einen Gewinn von mehr als 100 Millionen Pfund pro Jahr, wenn alles läuft.“
Das entscheidende Element für die Rettung der Anlage waren die amerikanischen Schiefergaslieferungen.
„Unsere Schiefergas-‚Investition‘ hat in Schottland 10.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze gerettet“, erklärt Jim Ratcliffe.
Aber nicht nur der INEOS-Standort Grangemouth wird von den Lieferungen profitieren.
Eine historische Pipeline, die überschüssiges Nordseegas von ExxonMobils Ethylenanlage in Fife nach Grangemouth brachte, wird nun ,,umgedreht”, sodass INEOS einen Teil des importieren Gases an ExxonMobil liefern kann.
„Die Anlage in Fife spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaft der Region“, so Sonia Bingham, Leiterin der Anlage für ExxonMobil Chemical in Fife.
Eine weitere Pipeline wird Ethylen aus Grangemouth zu den Produktionsanlagen von INEOS Oxide in Hull befördern, sodass die Produktion von Ethylacetat ab nächstem Jahr um 100.000 Tonnen pro Jahr gesteigert werden kann.
Ethylacetat ist sehr gefragt und wird für pharmazeutische und kosmetische Produkte, Druckfarben und flexible Verpackungen verwendet; die Anlage in Hull arbeitet bereits mit voller Kapazität.
Die Investition in Höhe von mehreren Millionen wurde kurz nach der Entscheidung der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union angekündigt.
„Wir glauben an die britische verarbeitende Industrie und werden sie unterstützen, wann immer wir können“, so Jim Ratcliffe.
Den Aussagen von Graham Beesley, CEO INEOS Oxide, zufolge sei INEOS Oxide bereits jetzt der größte Hersteller von Ethylacetat in Europa.
„Und wir werden noch viel weiter wachsen“, meinte er.