So manch einer wird sich fragen, was ein Mann, der den Großteil seines Lebens am Ende der Welt verbringt, uns, die wir den Großteil unseres Lebens im Büro verbringen, lehren kann. Eine Menge, so scheint es, wie INCH feststellen konnte
KEINER der beiden Orte klingt nach dem Himmel auf Erden.
Der Südpol ist der kälteste, trockenste, abgelegenste und windigste Ort auf der ganzen Erde. Eine gefrorene Wüste ohne Leben mit Windstößen bis zu 145 Kilometern pro Stunde, umgeben von stürmischer See.
Der Nordpol besteht nur aus Eis, das ständig in Bewegung ist, und ist erbärmlich kalt.
Doch Doug Stoup, ein moderner Entdecker, verbringt den Großteil seines Lebens entweder hier oder dort. Für ihn ist es sein Büro.
„Ich ziehe Kälte vor, denn mehr anziehen kann man immer“, meinte er.
Letzten Monat nahm sich der Mann, der den INEOS- Vorstandsvorsitzenden Jim Ratcliffe und seine beiden Söhne, George und Sam, zu beiden Polen begleitet hatte, ein wenig Urlaub von der Planung seiner nächsten Expedition und sprach mit dem INEOS-Team in der neuen Londoner Zentrale am Hans Crescent über das Eingehen von Risiken in Leben und Geschäft.
„Organisation und Vorbereitung sind der Schlüssel zum Erfolg jeder Expedition“, so Stoup. „Ich begrenze das Risiko. Ich kann das Risiko entweder annehmen oder kehrtmachen und gehen – was ich schon oft getan habe. Ich habe damit kein Problem, denn ich habe nicht den Wunsch zu sterben. Oder ich übertrage das Risiko und sage: „George, du gehst vor“.
Viele im Publikum lachten, aber Doug fuhr fort.
„Ich sitze nicht einfach da und schaue in den Himmel“, sagte er. „Ich beobachte jede seiner Bewegungen und lerne daraus.“
Für Doug hat auch die Spitzenposition im Geschäft mit Risiko, Vertrauen, Teamwork, der Suche nach neuen Herausforderungen und dem Versuch, etwas anders zu machen, zu tun. Und diesen Ansatz konnte er bei INEOS häu g beobachten.
„Vieles, was INEOS tut, hat mit einer Verlagerung der Grenzen und mit kalkuliertem Risiko zu tun“, sagte er. „Und das ist der Grund, warum das Unternehmen zu den innovativsten und besten der Welt gehört. Ich versuche, ein großartiges Team zusammenzustellen, und INEOS macht das ebenso.“
Dougs große Liebe zum Südpol begann im Jahr 1999; damals war er Anfang 30.
„Als Junge konnte ich es mir nicht vorstellen, dass ich diese Gebiete jemals betreten würde“, erzählte er. „Mein Traum war es, den höchsten Berg der Antarktis zu besteigen und dort Ski zu fahren. Aber das war nur ein Traum.“
Inspiriert von Persönlichkeiten wie Sir Ernest Shackleton, Captain Scott und Sir Douglas Mawson erkannte er jedoch, dass es möglich war, wenn der Wunsch groß genug war.
„Ich erkannte, dass man alles tun kann, was man tun will, wenn man sich in produktivem Wachstum diesem Traum nähert“, sagte er.
Als er 1999 aus dem Flugzeug stieg und ein Rollfeld aus Eis betrat, war er überwältigt.
„Ich ließ meinen Blick über dieses unendliche Nichts schweifen“, sagte er. „Ich verliebte mich in den Ort und konnte es nicht mehr erwarten, wieder dorthin zurückzukehren.“
Während dieser ersten Reise zum Südpol entdeckte er auch, dass er anderen helfen konnte.
Seither führt er Menschen ans Ende der Welt – zum Vergnügen und zu wissenschaftlichen Zwecken.
Die meisten seiner Weggefährten sind CEOs.
„Sie kennen das Risiko, weil sie in ihrer eigenen Welt das Sagen haben und Tag für Tag Entscheidungen treffen, aber ihre Geschäftserfahrung hilft in der Antarktis nicht wirklich weiter“, meinte er. „Auch Geld hilft nicht.“
Es kommt darauf an, dass sie zuhören, schnell lernen und sich auf das, was auf sie zukommt, vorbereiten – mental und körperlich.
„Das Einzige, was sich keiner vorstellen kann, ist die Kälte“, sagte er. „Und die begreifen sie erst, wenn sie tatsächlich dort sind. Dort lässt der Schweiß die Schutzbrille am Gesicht festfrieren.“
Zur Vorbereitung auf seine epischen Abenteuer nimmt Doug oftmals Gewicht zu, denn er wird 10.000 Kalorien pro Tag verbrennen, wenn er Eis überquert, das eine Woche vorher noch Wasser war.
„Du kannst dort im Stehen 2.000 Kalorien verbrennen“, sagte er.
Er glaubt fest an das Durchhaltevermögen des menschlichen Körpers.
„Wichtig ist jedoch die mentale Vorbereitung“, sagte er. „Wer trainiert ist, sollte körperlich an seine Grenzen gehen können. Die Barriere ist mentaler Natur. Du musst die mentale Stärke nutzen, um immer einen Schritt voraus zu sein.“
Doug wird oft gefragt, ob er eine Expedition zum Gipfel des Mount Everest führen würde, der mit 8848 Metern der höchste Berg der Welt ist.
Aber hier ist er sich nicht sicher.
„Ich weiß nicht, ob ich das aushalten würde, denn dort sind Unmengen von Menschen, die eigentlich nicht dort hingehören“, meinte er. „Man muss wissen, wo man aufhört, muss die richtige Entscheidung für die eigene Sicherheit treffen. Es geht nicht immer darum, den Gipfel um jeden Preis zu erreichen.“
Er ist der Ansicht, dass Führungspersönlichkeiten in allen Bereichen des Lebens vieles gemeinsam haben.
Mitgefühl; die Fähigkeit, die Persönlichkeit anderer zu begreifen; und im Laufen denken zu können, so Doug.
„Starke Persönlichkeiten können sich ihrer eigenen Umgebung und anderen anpassen“, sagte er. „Um eine große Führungspersönlichkeit zu sein, muss man alles begreifen, was da draußen passiert, und die Kommentare anderer Menschen miteinbeziehen.“
Abgesehen von Kälte, Treibeis, Wind – muss man noch etwas fürchten?
Ja, sagte er, Eisbären.
„Sie riechen eine Robbe aus über 13 Kilometern Entfernung, und nach eineinhalb Monaten ohne Dusche riechen sie mich mit Sicherheit“, meinte er.
Trotz seiner äußerst sorgfältigen Planung kann dennoch etwas schiefgehen.
„Auch wenn ich mehr Polarerfahrung habe als jeder andere, mache ich immer noch Fehler“, gesteht er. „Einmal fror mir die Schutzbrille am Kopf fest, ich wurde schon schneeblind und einmal brach mir ein Zahn ab, den ich mit einer Zange herausziehen musste.“
Kann er sich einen Ruhestand vorstellen? „Nein“, sagt er. „Noch nicht.“
Der Vater dreier Söhne muss noch zu viel sehen und tun.
„Vielleicht wird einer der drei eines Tages in meine Fußstapfen treten“, sagte er.
MEINE HELDEN
JENE drei Männer, die Doug Stoup immer noch inspirieren, lebten um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert.
Einer starb, zwei überlebten unter widrigsten Bedingungen.
„Sie sind immer noch meine Mentoren“, sagte er. „Sie waren richtige Männer, die leiden konnten.“
Sir Douglas Mawson kämpfte sich auf einer Expedition im Jahr 1912 alleine über 265 Kilometer zurück zum Schiff, nachdem einer seiner Gefährten in eine Eisspalte gefallen und der andere Opfer einer Vergiftung geworden war.
Captain R. F. Scott und seine beiden verbliebenen Gefährten wurden von einem Schneesturm aufgehalten und erfroren 240 Kilometer vom Basislager in ihrem Zelt, nachdem sie im Januar 1912 den Südpol erreicht hatten.
Sir Ernest Shackleton überlebte drei Jahre später und konnte vom Untergang seines Schiffes ‚Endurance‘ berichten. Das Schiff wurde von Eis eingeschlossen und die Besatzung hatte es verlassen und sich auf dem Treibeis in Sicherheit gebracht. Im folgenden Jahr machten sich Shackleton und fünf Mitglieder seiner Mannschaft auf, um Hilfe zu holen. Sie überquerten in einem Rettungsboot in 16 Tagen 1300 Kilometer Ozean und erreichten Südgeorgien, wo sie sich bis zur Walfangstation durchschlugen. Die verbleibenden Männer von der ‚Endurance‘ wurden später gerettet. Keiner der Männer war gestorben.
„Sie sind die wahren Helden“, sagte Doug. „Sobald wir den Südpol erreicht haben, rufe ich jemanden an und wir werden abgeholt.“