Schiefergas erlebt derzeit einen Boom, ebenso wie die amerikanischen Petrochemieunternehmen, die diese preiswerte neue Gasquelle als wichtigsten Rohstoff verwenden. Schiefergas hat den Energiemarkt in den USA von Grund auf verändert. Alles deutet darauf hin, dass sich dies auch auf den weltweiten Energiemärkten niederschlagen wird. Die Fördermenge ist seit dem Jahr 2000 sprunghaft von lediglich ein bis zwei Prozent der gesamten US-amerikanischen Förderleistung auf fast 25 Prozent gestiegen. Inzwischen entfällt mehr als ein Viertel der gesamten Gasförderleistung in den USA auf Schiefergas. Bis 2035 könnte dieser Anteil auf bis zu 50 Prozent ansteigen. Je mehr Schiefergas auf den Markt kommt, brechen die Preise im Vergleich zu steigenden Ölpreisen weiter ein. Bis vor kurzem war Amerika noch abhängig von Flüssigerdgasimporten. Heute steht das Land kurz davor, ein Gasexporteur zu werden. Seit fast hundert Jahren weiß man aufgrund von geologischen Kartierungen und Öl- und Gasbohrungen, dass überall in den USA riesige ‘Schiefer’-Gesteinsformationen mit einem sehr hohen Kohlenwasserstoffgehalt vorkommen. Diese Gesteinsformationen wurden bis zur Entwicklung neuer Gewinnungstechniken als ‘nicht durchlässig genug’ angesehen, um daraus Öl oder Gas fördern zu können. Allerdings sind inzwischen auch diese neuen Fördertechniken bekannt. Die ‘horizontale Richtbohrtechnik’ wurde vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren in großem Maßstab angewendet; das sogenannte ‘Hydraulic Fracturing’ bzw. ‘Fracking’ kam erstmals in den 1950er-Jahren zum Einsatz. Doch erst in den letzten zehn Jahren ist es wirtschaftlich und technologisch machbar geworden, beide Verfahren zusammen einzusetzen, um neue Vorkommen zu erschließen.
Die ‘horizontale Richtbohrtechnik’ ermöglicht das Bohren eines Erdöl-/Gasbohrlochs über mehrere Kilometer lange horizontale Bohrstrecken in der Gesteinsschicht. Beim ‘Fracking’-Verfahren werden die unterirdischen Gesteinsschichten dadurch aufgebrochen, dass man Risse im Gestein erzeugt. Dies geschieht, indem man unter Hochdruck eine Mischung aus Sand, Wasser und Chemikalien ins Gestein presst, wodurch Erdöl und Gas entweichen kann. Eine Besonderheit der Schiefergasförderung ist, dass dabei häufig mehr Erdgas als Erdöl gewonnen wird. Außerdem enthält das auf diese Weise geförderte Erdgas Kondensaten wie Ethan und Propan. Diese Bestandteile können aus dem Erdgas zurückgewonnen und dann als Rohstoff für petrochemische Produkte eingesetzt werden.
Aufgrund der Vielzahl an neuen Bohrungen und kürzlich in Betrieb genommenen Förderanlagen sind sowohl Erdgas als auch erdgasbasierte Rohstoffe gegenüber den üblichen Erdölpreisen und den Preisen für aus Erdöl gewonnenen Rohstoffen wie beispielsweise Naphtha, das außerhalb der USA häufiger zum Einsatz kommt, im Preis gefallen. Es besteht daher kein Zweifel, dass Schiefergas innerhalb der letzten zwei Jahre dem petrochemischen Sektor in den USA zum Auftrieb verholfen hat, wie auch daran deutlich wird, dass zahlreiche Firmen den Bau neuer Kracker angekündigt haben. Zurzeit wird dies allerdings hauptsächlich als amerikanisches Phänomen gesehen.
„INEOS ist sehr gut aufgestellt, um von dem Ausbau der Ethanförderung zu profitieren, der durch das Schiefergas ermöglicht wird“, erläutert Dennis Seith, CEO von INEOS Olefins & Polymers USA. „Derzeit wird immer mehr Ethan verfügbar, wodurch wir besser an diesen wertvollen Rohstoff herankommen. Unsere Kracker sind ausreichend flexibel, um auch leichtere Erdgaskondensate einzuspeisen und zu unserem Hauptprodukt Ethylen zu verarbeiten. Derzeit werden Schieferformationen in Texas, im oberen Mittleren Westen und im Nordosten der USA erschlossen. Dabei wird nicht nur preiswertes Erdgas gewonnen, sondern es werden auch beträchtliche Mengen an Erdgaskondensaten gefördert. Die Gewinnung kostengünstiger Rohstoffvorräte eröffnet unseren bestehenden Anlagen in den USA zahlreiche neue Geschäftsmöglichkeiten. Anfang des Jahres haben wir angekündigt, dass wir kurz vor dem Abschluss technischer Studien stehen, um Kapazitätsengpässe bei der Ethylengewinnung im texanischen Chocolate Bayou zu beseitigen. Durch eine derartige Investition könnten zusätzliche 115.000 Tonnen pro Jahr produziert werden. Dadurch könnte der Bedarf gedeckt werden, der aus dem Engagement von INEOS auf dem Ethylen-Handelsmarkt der US-Golfküste erwächst. Gleichzeitig würde dies unserer Anlage für hochdichtes Polyethylen [HDPE] in La Porte in Texas zugutekommen.“
Allerdings birgt das ‘Fracking’ auch Probleme. Viele befürchten, dass das Verfahren zu einer Absenkung des Bodens, geologischer Instabilität und einer Verschmutzung des Trinkwassers führen könnte. Deshalb war es in etlichen Bundesstaaten der USA und auch in mehreren europäischen Ländern zunächst verboten, bis es gründlicher erforscht war und bessere gesetzliche Regelungen und Kontrollen entwickelt werden konnten.
„INEOS ist zwar nicht in der Auffindung und Förderung von Schiefergas tätig, doch wir sind uns bewusst, welchen Nutzen eine sichere, gut gesteuerte und regulierte Förderung mit sich bringt, um. eine wertvolle und nachhaltige Energiequelle für das ganze Land sowie für die hier ansässige nachgelagerte petrochemische Industrie zu erschließen“, erklärt Dennis Seith. „Der Fördervorgang ist mittlerweile ausreichend erforscht, daher sollte die Erdgasindustrie unserer Meinung nach in Partnerschaft mit kommunalen und nationalen Behörden auf ‘vernünftige’ gesetzliche Regelungen hinwirken, um die Bedenken in der Öffentlichkeit hinsichtlich möglicher Probleme, die das ‘Hydraulic Fracturing’ aufwirft, auszuräumen und um zu gewährleisten, dass Fragen der Sicherheit, der Gesundheit und der Umwelt höchste Priorität bei der weiteren Entwicklung dieser sich rasant ausbreitenden Technologie in den USA zukommt.“
Bisher profitiert vor allem die USA von ihren Schiefergasvorkommen. Doch wie lange noch? In Europa sind die Erdgaspreise doppelt so hoch wie in Amerika. Daher ist es nicht verwunderlich, dass mehrere europäische Länder alles daran setzen, den amerikanischen Schiefergasboom zu kopieren. Doch dies dürfte sich schwierig gestalten. Zum einen sind die Kosten in Europa aufgrund der schwierigen geologischen Verhältnisse höher. Zum anderen erschweren der fehlende politische Wille sowie die höhere Bevölkerungsdichte in vielen europäischen Ländern den Aufbau der nötigen Infrastruktur zur Rückgewinnung und zum Transport des Gases. Es wird daher noch eine Weile dauern, bis entsprechende Pläne umgesetzt werden. Laut derzeitiger Einschätzung geht man jedoch davon aus, dass die Probleme lösbar sind und die Frage nicht ‘ob’ lautet, sondern ‘wann’ der Schiefergas- Boom von den USA nach Europa herüber schwappt.
Da die Nachfrage nach Energie weltweit unvermindert anhält, wird Schiefergas in Zukunft zwangsläufig eine wichtige Rolle spielen. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Polen über enorme Schiefergasvorkommen in Höhe von 5,3 Billionen Kubikmeter verfügt. Damit könnte sich das Land 300 Jahre lang selbst mit Energie versorgen. PetroChina hofft, 2015 eine Milliarde Kubikmeter Schiefergas im Südwesten Chinas zu fördern. Selbst im Nordwesten Englands in der Nähe von Blackpool wurden kürzlich Schiefergasvorkommen entdeckt.
INEOS hat sich diesbezüglich schon längst positioniert und setzt in den USA bereits auf eine effiziente Nutzung dieser wertvollen Ressource. Obwohl die Förderung dieses Rohstoffs gerade erst anläuft, hat sich die Verfügbarkeit von Schiefergas bereits auf den Märkten bemerkbar gemacht. Innerhalb Europas ist INEOS hervorragend aufgestellt, um strategisch wichtige, preisgünstige Ethylenimporte zu lagern, sobald der Bau unseres neuen Tiefseeterminals in Antwerpen abgeschlossen ist. Mit der Eröffnung dieses neuen Tiefseelagers Anfang 2012, eines der wenigen Tiefseeterminals in Europa, sind wir sehr gut positioniert, um die Vorteile dieser preisgünstigen Ethylenimporte voll auszuschöpfen, die sich durch die Verfügbarkeit von Schiefergas aus der ganzen Welt ergeben.