INEOS wächst und entwickelt sich weiter. Aus dem Wirtschaftsabschwung ist INEOS gestärkt hervorgegangen, die Geschäftsbereiche wachsen organisch, strategische Joint Ventures in neuen und wachsenden Märkten werden gebildet. Das Unternehmen, von dem gesagt wurde, es habe sich „aus der Rezession katapultiert“, hat 2010 und im ersten Halbjahr 2011 zweifellos gute Leistungen erbracht, ist nun aber gegen Jahresende mit schwierigen Marktverhältnissen konfrontiert.
In diesem Interview spricht Tom Crotty, Group Director for Corporate Affairs & Communications, offen
mit Jim Ratcliffe über seine Prioritäten für INEOS,
die Herausforderungen, die auf das Unternehmen zukommen, und darüber, wie er die Zukunft des Unternehmens sieht.
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INEOS CAPITAL INTERVIEW
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TC: Wie kann es sein, dass INEOS,
obwohl es eines der weltweit führenden Chemieunternehmen ist und Platz 318 der Fortune 500-Liste belegt, immer noch als das größte Unternehmen bezeichnet wird, von dem die Welt noch nie gehört hat?
JR: Ich nehme an, der Grund, warum noch nie jemand etwas von INEOS gehört hat, liegt vermutlich darin, dass
wir keine Konsumprodukte anbieten. Wir sind also nicht
so nah am Verbraucher wie zum Beispiel die Coca Colas dieser Welt oder auch Unternehmen, die INEOS ähneln,
wie BP oder Exxon mit eigenen Tankstellenketten. Wir
traten aus dem Schatten heraus, als wir BP Chemicals übernahmen. Das war eine große Transaktion, und allein wegen unserer Größe wurden wir bekannt. Nun sind wir verpflichtet, ein wenig an unserem Image zu arbeiten. Dazu hatten wir vorher keine Zeit, weil wir uns auf unser Geschäft konzentriert hatten. Für Politiker und Hochschulabsolventen ist es aber ziemlich wichtig, dass Menschen INEOS ein wenig besser kennen, als sie dies momentan tun.
TC: Unsere Erträge gingen im Abschwung 2008/2009 stark zurück, aber wir haben die Phase gut überstanden. Wie sehen Sie INEOS heute?
JR: Während der Krise gingen unser Ertrag und unsere Profitabilität stark zurück, aber so erging es allen Herstellern. Wie Sie sagen sind wir da ziemlich gut rausgekommen. Wir nahmen Änderungen vor, senkten Kosten. Ich glaube, dass wir aus dieser schwierigen Situation sogar stärker hervorgingen als andere Unternehmen, sicherlich in unserer Industrie. Viele haben diesen Abschwung nicht überstanden. Mit Sicherheit war er das Schlimmste, was wir in unserem Arbeitsleben je erlebt haben. Heute ist das Unternehmen in einem sehr viel besseren Zustand: die Schuldenlast ist geringer, das Geschäft ist in der ersten Jahreshälfte extrem gut gelaufen und war auch im vergangenen Jahr ziemlich gut. Ich denke also, dass wir ganz positiv in die langfristige Zukunft blicken können.
TC: Wir sind aus dem Abschwung von 2008/2009 rausgekommen, aber gerade als wir wieder
auf den Beine stehen, gibt es eine weitere Finanzkrise. Was bedeutet das für INEOS?
JR: Es ist schwierig, in die Zukunft zu blicken. Ich glaube nicht, dass wir ein 2008 nochmals sehen werden. Unsere Erfahrung seit ein paar Jahren ist, dass wir nach der Krise 2008/2009 eine stetige Verbesserung sehen, die aber nicht linear verlaufen wird. Es wird ein seltsames Auf und Ab geben., Ich glaube, das ist einer der größeren Ausschläge, aber ich denke nicht, dass es wie 2008/2009 sein wird. Ich glaube, wir sind in einem besseren Zustand, um mit dem bottom-of-cycle umzugehen. Chemikalien werden immer konjunkturabhängig sein. Es ist eigentlich sinnlos vorherzusagen, wann die Welt im Auf- oder im Abschwung sein wird. Wenn wir das könnten, gäbe es einfachere Wege, Geld zu verdienen! Ich glaube, wir müssen einfach nur sicherstellen, dass wir uns im bottom- of-cycle in einem guten Zustand befinden. Und ich bin mir sicher, dass wir ziemlich gut aufgestellt sind.
TC: Das Unternehmen ist durch Übernahmen sehr schnell gewachsen. Wir befinden uns aber jetzt in einer ganz anderen Welt, in der weit weniger Kredite zur Verfügung stehen. Wie wird das unser Geschäftsmodell verändern?
JR: Das hat das Geschäftsmodell zweifellos verändert, denn Kredite sind in der westlichen Welt nicht mehr verfügbar wie zuvor. Eine weitere Veränderung, die wir gerade weltweit erleben, ist, dass sich ein Großteil der Wirtschaftskraft von West nach Osten verlagert. INEOS wird also verstärkt Richtung Osten blicken. Während wir im Westen enorme Handelsdefizite erfahren, verzeichnet der Osten riesige Handelsüberschüsse. Einige der Handelsüberschüsse finden ihren Weg ins Bankensystem und werden als Kredit verfügbar. Wir werden also sehen, dass sich INEOS vielen unterschiedlichen Projekten im Osten zuwenden wird.
TC: Wir haben Joint Ventures mit PetroChina, Styrolution und möglicherweise mit Sinopec. Gibt es Überlegungen, in den Nahen Osten zu ziehen und würden Joint Ventures dort funktionieren?
JR: Geht man in diese Teile der Welt, die sich stark von unseren Erfahrungen unterscheiden, braucht man einen Partner. Tut man das nicht, endet man in Schwierigkeiten, weil die Lernkurve recht steil verläuft und sehr lang sein kann. Ich finde, wir brauchen einen Partner in einem Land wie China.
Wir haben oft in Richtung Naher Osten geblickt. Sollten wir jemals entscheiden, dort weiterzumachen, bin ich sicher, dass wir einen Partner haben werden. Man muss aber bedenken, dass es dort keine Endmärkte gibt. Die Wüste ist kein augenscheinlicher Ort für die Produktion von Chemikalien. Es ist ein ziemlich schwieriges Umfeld. Und dann muss Sie die Endprodukte verschiffen. Es muss also gute Gründe geben, mit Kapitalinvestitionen im Nahen Osten zu beginnen, und das bedeutet Zugang zu sehr wettbewerbsfähigen Rohstoffen. Das sind die wirklichen Entwicklungsgrundlagen in der Region, und natürlich ist es nicht so einfach, an diese billigen Rohstoffe heranzukommen. Der Hauptteil unserer Arbeit in dieser Region bestand im Aufbau von Beziehungen und in der Identifikation von sicheren Rohstoffquellen.
TC: Das Unternehmen arbeitet gerade an einer Möglichkeit, Bioethanol aus Abfall zu gewinnen. Wie groß sind die Chancen für INEOS dabei?
JR: Das ist die spannendste Gelegenheit, die sich
INEOS momentan bietet und mit Sicherheit unser faszinierendstes Projekt. Der Schlüssel für diese spezielle Technologie besteht darin, dass sie extrem flexibel ist.
Sie kann so ziemlich jeden organischen Abfall einsetzen und in Ethanol, einen Treibstoff, verwandeln und zudem Elektrizität ins Netz speisen. Das ist hochinteressant. Erstens gibt es weltweit eine Menge organischer Abfälle. Nehmen wir zum Beispiel die Zuckerrohrindustrie. Sie stellt Zucker aus Zuckerrohr her. Aber zwei Drittel des Abfalls ist Mist, der übrig bleibt. Dieser kann dann in Treibstoff umgewandelt werden. Dann gibt es weltweit eine Menge Hausmüll, es gibt viele Bau- oder Forstabfälle und so weiter. Zweitens hat die Welt ein Treibstoffproblem, da Öl immer teurer und wertvoller wird, weil es schwierig zu bekommen ist. Der INEOS Bio-Prozess löst beide Probleme – organischer Abfall wird in Treibstoff verwandelt und speist zudem erneuerbare Elektrizität ins Netz.
Wir bauen gerade ein Werk in den USA mit einem Wert von etwa 150 Millionen US-Dollar. Die weltweit erste Anlage wird im kommenden Jahr (2012) in Florida in Betrieb gehen. Wenn das erfolgreich läuft und wenn man sehr, sehr optimistisch ist, dann könnten diese
Anlagen wie Starbucks überall auf der Welt errichtet werden, um verschiedensten Abfall umzuwandeln. Abfall von Kleinstädten in Deutschland oder England zum Beispiel könnte in Treibstoff umgewandelt werden, mit dem man sein Auto betankt. Alternativ könnten sehr große Anlagen den Abfall großer Städte wie Chicago in große Mengen Treibstoff oder Strom umwandeln. Wenn sich das Projekt als erfolgreich erweist, ist es also ein wirklich äußerst spannendes Projekt. 2012 oder 2013 wissen wir mehr.
TC: Wenn Sie die Zukunft betrachten, wie kann INEOS Ihrer Ansicht nach für die richtigen Menschen attraktiv sein, die das Unternehmen weiter wachsen lassen?
JR: Ich denke INEOS ist in erster Linie ein kapitalintensives Unternehmen. Eigentlich haben wir nicht sehr viele Menschen, aber die, die wir haben, müssen extrem hochqualifiziert sein. Das bedeutet,
wir haben viele mit Hochschulabschluss in unserer Organisation. Wir haben aufgrund der verschiedenen Akquisitionen extrem gute Leute bekommen, die aus
Blue Chip-Unternehmen hervorgegangen sind. Während des Eingliederungsprozesses dieser Unternehmen in
die INEOS-Organisation und aufgrund der Tatsache, dass wir durch den Abschwung 2008/2009 gegangen sind, haben wir die Organisation verschlankt und es
war nicht angebracht, viele neue Hochschulabsolventen zu rekrutieren. Heute ist es sicherlich sehr wichtig, den Rekrutierungsprozess von erstklassigen Absolventen fortzusetzen. INEOS bietet ein spannendes Arbeitsumfeld, weil unsere Beschäftigten viel Verantwortung bekommen, und sie können sich sehr innerhalb der Organisation entwickeln. Gerade weil wir in den vergangenen zehn Jahren nicht so viele Hochschulabsolventen
eingestellt haben.
TC: Wie sehen Sie also die Zukunft für INEOS? Wo sehen Sie das Unternehmen in zehn Jahren?
JR: Ich habe es aufgegeben, die Zukunft vorhersagen zu wollen. Das ist zu schwierig, zumindest für zehn Jahre. Es ist schwierig vorherzusagen, wo INEOS stehen wird, auch wenn ich das Unternehmen leite. Wir waren in den vergangenen 12 bis 13 Jahren opportunistisch. Man kann eines über die kommenden Jahre sagen:
Bis 2020/2025 wird China so viele Chemikalien benötigen, wie der Rest der Welt zusammen. China
wird sozusagen hinsichtlich des Bedarfs an Chemikalien so etwas wie ein zweiter Planet Erde sein. Wenn sie so weiterwachsen wie jetzt, dann gibt es keine Zweifel, dass sie da hinkommen. Sie werden also so groß sein wie Europa und Amerika zusammen! Sehen wir uns unsere Anlagen an, so haben wir viele Phenolwerke
und einige Acrylnitrilwerke etc., aber die stehen alle in Amerika oder Europa. Wir haben nichts in China. Wenn ich also zehn Jahre vorausschaue, wäre ich überrascht, wenn wir in China keine Präsenz oder nicht zumindest bedeutende Fußstapfen hinterlassen hätten. Es erscheint mir sinnvoll, wenn wir einen vernünftigen Weg in dieses Land finden.
TC: Eine letzte Frage: Was raubt Ihnen nachts den Schlaf?
JR: Dass Manchester United von Manchester City Ende Oktober im eigenen Stadion mit 6:1 erledigt wurde!
Nein, wirklich, das Einzige, was mich nachts wach bleiben lässt, ist die Sicherheit. Man darf nie zufrieden sein. Sicherheit hat bei INEOS den höchsten Stellenwert, und wird bei INEOS auch immer den höchsten Stellenwert haben. Sicherheit ist immer der erste Tagesordnungspunkt, über den wir in unseren Vorstandssitzungen sprechen. Sicherheit wird immer unsere höchste Priorität sein.