TRAINER Patrick Sang weiß nicht mehr genau, welchen Eindruck er von Eliud Kipchoge bei ihrer ersten Begegnung auf der Aschenbahn in Nandi hatte.
Er kann sich nur noch an einen 16-jährigen lernbegierigen Jungen erinnern.
„Ich wusste nicht, wie er hieß“, sagt er. „Aber er kam immer wieder zu mir und fragte mich nach einem Trainingsprogramm.“
Schließlich fragte ihn Patrick, der erfolgreich an Olympiaden und Weltmeisterschaften teilgenommen hatte: „Wer bist du?“
Der Teenager sah ihn an und antwortete: „Ich bin Eliud.“
Das war vor 18 Jahren.
Heute ist Eliud der schnellste Marathonläufer der Welt.
„Ich stelle mir oft die Frage, was geschehen wäre, wenn ich auf die Frage nach dem Trainingsprogramm mit ‚Nein‘ geantwortet hätte“, sagt Patrick, der ihn seit 2001 trainiert
„Was, wenn ich diesen jungen Mann, der mich um Unterstützung bat, ignoriert hätte? Wäre die Geschichte anders verlaufen? Hätte es diesen phänomenalen Marathonläufer gegeben?“
Diese Frage wird nie jemand beantworten können.
Aber eines weiß Patrick: Inzwischen ist Eliud derjenige, der ihm etwas beibringt.
„In gewisser Weise haben wir Rollen getauscht“, sagt er. „Ich war viele Jahre ein Vorbild für Eliud und habe die Rolle eines Lehrers übernommen, denn lange Zeit konnte ich ihm noch etwas Neues beibringen. Inzwischen bringt er mir Dinge bei, und ich denke, wir alle können von ihm lernen: von der Art, wie er sein Leben lebt, und von den Werten, die er vertritt.“
Doch 2001 stand Eliud noch am Beginn seines unglaublichen Wegs in die Welt der Leichtathletik – und er brauchte Rat.
Dieser Rat kam von Patrick. Und er geizte nicht damit.
„Ich denke, wenn einem Wissen geschenkt wurde, auf welchem Gebiet auch immer, dann sollte man es weitergeben“, sagt Patrick. „Das Laufen hat mir so viel gegeben. Ich konnte dadurch eine gute Ausbildung machen und die Welt bereisen. Deshalb ist es für mich wichtig, an junge Sportler weiterzugeben, was ich gelernt habe.“
Patrick sagt, dass Eliud sich all des Lobes, Geldes und Medienrummels zum Trotz nicht verändert hat.
„Er ist der festen Überzeugung, dass man bescheiden bleiben sollte, und das ist sicherlich nicht einfach“, sagt er. „Ich habe Sportler erlebt, die nach ihren Erfolgen von dem Geld, das sie verdient haben, negativ beeinflusst wurden. Aber nicht Eliud.“